Ana içeriğe atla

TEXTE ZUM LESEN: OKUMA METİNLERİ






TEXTE ZUM LESEN : OKUMA METİNLERİ



1- Die kleine Feldmaus lernt Zaubern



Es war ein herrlicher, lauer Sommertag. Die kleine Feldmaus und ihre Freunde spielten den ganzen Tag auf dem Feld beim Weiher. Sie spielten Fangen, Verstecken und rannten um die Wette.

Plötzlich sagte die kleine Feldmaus zu ihren Freunden: „Wißt ihr was, jetzt zaubere ich euch etwas vor!“ Die Freunde schauten sich ganz erstaunt an. „Du kannst zaubern?“ Sie setzten sich auf einen liegenden Baumstamm und schauten der kleinen Feldmaus bei ihren Vorbereitungen zu. Diese rollte sich einen kleinen Baumstumpf zurecht und breitete ein Tuch darüber aus. Auf das Tuch stellte sie umgekehrt einen Zylinder und deckte dessen Öffnung mit einem weiteren Tuch zu.

Dann sprach sie ihre Pfötchen in die Höhe haltend: „Abera ca Dabera.“ Und es passierte… nichts. Die Freunde schauten ein klein wenig enttäuscht. Die kleine Feldmaus zog mit einem „Wusch“ das Tuch vom Zylinder und griff mit der linken Hand hinein. Gleichzeitig griff sie mit der rechten Hand nach unten, hinter den Baumstumpf. Dann streckte sie ruckartig beide Hände in die Höhe und hielt ein kleines Kuscheltier in ihrer Rechten. Die Freunde applaudierten zwar, aber etwas zögerlich.

„Ähm…“ sagte der kleine Igel, „Hast du das Kuscheltier aus dem Zylinder geholt? Oder hinter dem Baumstumpf ‚hervorgezaubert‘?“ „Na sage mal!“ echauffierte sich die kleine Feldmaus. „Aus dem Zylinder natürlich!“ behauptete sie. „Das sah aber anders aus.“ bestätigte auch der kleine Frosch. „Ja, genau!“ wand der kleine Igel nocheinmal ein. „Irgendwie scheint deine ‚Zauberei‘ nicht ganz fachmännisch zu sein.“ Die kleine Feldmaus senkte den Kopf. „Ja, ihr habt recht. Eigentlich kann ich gar nicht zaubern.“ „Soll ich es dir beibringen?“ fragte da das kleine rosa Schweinchen.

„Du willst mir Zaubern beibringen?“ wunderte sich die kleine Feldmaus. „Kannst du das denn überhaupt?“ „Klaro!“ kam als Antwort und ein erstauntes Raunen machte unter den Freunden die Runde. „Zeig’s uns!“ forderte der kleine Igel, der das nicht glauben konnte. Und das kleine Schweinchen tauschte mit der kleinen Feldmaus die Position. „Meine Damen und Herren,“ fing es an, „sehen sie jetzt die berühmte und berüchtigte Zaubershow des kleinen rosa Schweinchens!!“ Verhaltenes Klatschen setzte ein. Die Freunde waren sich noch nicht sicher, was sie jetzt erwartete.

„Zuerst“ sprach der Zauberkünstler weiter, „werde ich dieses Kuscheltier“ das Kuscheltier wurde in der Hand geschüttelt, „im Zylinder verschwinden lassen!“ Bis jetzt sah die Show gar nicht so schlecht aus und die kleine Feldmaus trommelte mit ihren Pfötchen eine Art Trommelwirbel auf den Baumstamm. Das kleine rosa Schweinchen steckte das Kuscheltier in den Zylinder und deckte diesen mit dem Tuch zu. „Hokus und Pokus, das Kuscheltier nun verschwinde, aber nicht nur auf den Lokus, sondern in aller Winde!“ Es wedelte mystisch mit seinen Armen über dem Zylinder und zog das Tuch ruckartig beiseite. „Ta-Taaaa!“ rief es und stellte sich in Siegerpose hin.

„Hä?“ stieß der kleine Igel aus. „Das Kuscheltier ist noch im Zylinder.“ „Quatsch, ist es nicht!“ erwiderte das Schweinchen und hob den Zylinder hoch und drehte ihn gaaaanz laaaangsam um. Als das Kuscheltier eigentlich hätte rausfallen müssen, tat es das aber nicht. Die Freunde bekamen ganz große Augen. „Wo ist es?“ wunderte sich der kleine Frosch und hopste nach vorn und untersuchte den Zylinder. Im Zylinder war kein Kuscheltier. Und es lag auch keins hinter dem Baumstumpf und das Schweinchen hatte offensichtlich auch kein Kuscheltier bei sich. „He!“ rief der kleine Igel, „Du kannst tatsächlich zaubern!“ „Sag ich doch!“ beharrte das kleine rosa Schweinchen.

„Dann kannst du es mir wirklich beibringen?“ fragte die kleine Feldmaus. „Klaro!“ Aber zuvor ging die Zaubershow weiter. „Meine Damen und Herren! Seht zu, wie ich das Kuscheltier wieder hervor zaubere!“ Die kleine Feldmaus machte wieder ihren Trommelwirbel auf dem Baumstamm. Der kleine Frosch schaute mit ganz großen Augen zum Schweinchen. Da ist doch ein Haken, dacht er, das Schweinchen KANN NICHT zaubern. „Aboro co Diboro! Singa Pur und Qudra Tur! Kuscheltier jetzt komm hervor, am besten hier und nicht im Moor.“ Und wieder wedelte das kleine Schweinchen über dem Zylinder mit dem Tuch darauf. „TA-TAAAA!“ rief es, riß wieder seine Arme in die Luft und machte die Siegerpose.

Das Klatschen war jetzt etwas lauter, verstummte aber ganz schnell wieder. „Ich sehe es noch nicht.“ meckerte wieder der kleine Frosch. „Soll das jetzt im Zylinder sein, oder was?“ „Meine Damen und Herren, ich werde jetzt diesen Zylinder langsam umdrehen.“ Und das Schweinchen drehte wie vorhin den Zylinder gaaaanz laaaangsam um. Und wieder fiel kein Kuscheltier heraus. „Das Kuscheltier ist NICHT im Zylinder. Wo kann es sein? Ich habe es doch wieder hergezaubert.“ „Los, du Knalltüte, sag schon!“ rief der Frosch, der das alles immer noch für einen großen Betrug hielt. „Mein lieber Frosch, bitte dreh dich einmal um.“ sagte das kleine rosa Schweinchen.

Der Frosch drehte sich um und sah hinter dem Baumstamm, auf dem sie saßen, das Kuscheltier auf seinen Füßchen sitzen. Es schien den kleinen Frosch anzugrinsen. Er nahm erstaunt das Kuscheltier und hielt es hoch, damit alle es sehen konnten. Und wieder rief das Schweinchen: „TA-TAAAAAAA!“ Jetzt klatschten die Freunde aber ganz wild und doll und laut. „Bravo!“ „Super!“ „Toll!“ riefen die drei Zuschauer und der kleine Frosch klopfte dem Schweinchen auf die Schulter. „Du kannst WIRKLICH zaubern!“ Und der kleine Igel freute sich: „Ich kenn einen Zauberer! Ich kenn einen Zauberer!“

In den nächsten Tagen lernte die kleine Feldmaus vom kleinen rosa Schweinchen Zaubern. Es war nicht leicht. Man mußte sehr fingerfertig sein, um die schwierigen Übungen hinzubekommen. Einige Zaubertricks gingen ziemlich einfach. Aber andere waren echt schwer zu erlernen. Nach ein paar Tagen führte sie ihren Freunden ein paar Tricks vor. Die Freunde waren richtig begeistert, wie gut sie Zaubern gelernt hatte. Sie klatschten, jubelten und riefen nach Zugabe. Bei der Zugabe mußte das kleine rosa Schweinchen ein wenig aushelfen. Aber das war die beste Zaubershow, die die Freunde je gesehen und selbst veranstaltet hatten.

Geschichte von Torsten Kühnert





Mutsch und ihr Gemüsetick     © Angelika Lauhoff


Fr. Trotzki saß gemütlich auf ihrer Couch im Wohnzimmer und las in einer Zeitung. Lea kam auf ihrem Hüpfball herein gehopst. "Mutsch, Muuutsch ...!?"


"Ja, doch, was ist denn?"

"Wenn Lena gleich zum Spielen kommt, dürfen wir dann was Süßes?"
"Ja, nimm doch schon mal etwas aus dem Schrank und schütte es in eine Schüssel, die kannst du dann in der Küche auf den Tisch stellen!"
Lea kletterte auf einen Hocker und öffnete die Schranktür. "Ich nehme die Smarties!"
"Okay!" antwortete die Mutter ohne dabei von ihrer Zeitung aufzuschauen. Lea grinste zufrieden, denn sie hatte auch noch eine Rolle Plätzchen gemopst.
Völlig abwesend las ihre Mutter weiter in einem, wohl für sie unheimlich wichtigen, Bericht. Sie ließ sich weder durch das Klingeln an der Tür, noch von dem kurz eingeworfenen:
"Hallo, ich bin's!" von Lea's Freundin Lena stören. Dann legte sie plötzlich ihre Zeitung zur Seite, sprang auf, nahm Jacke, Tasche und Schlüssel und ging ins Kinderzimmer. "So, Kinder, ich muss mal eben Einkaufen, ihr wisst, was das bedeutet. Ihr geht nur ans Telefon, wenn darauf unser Name oder der von Lena's Eltern steht und wenn es schellt....
"... gehen wir nicht an die Tür, sondern lassen es einfach schellen!" beendeten Lea und Lena den Satz im Chor. "Gut, ich kann mich drauf verlassen! Spielt ihr schön weiter mit euren Pokemons. Bis gleich!" sprach's und eilte davon.
Als sie wiederkam schleppte sie sich mit zwei übervollen Einkaufstüten ab, die sie in der Küche abstellte. Sofort kamen die beiden Kinder angerannt: "Hast du uns was leckeres mitgebracht?" fragten sie erwartungsvoll. "Mal sehen! Ich habe Möhren, Paprika, Kopfsalat, Gurke, Magerjoghurt, Sonnenblumenkerne, Haferflocken, Grünkernbratlinge, Sojaschrot, Vollkornbrot, Äpfel, Birnen, Bananen, Milch, Mineralwasser, ein gemischtes Biomüsli. Ist was für euch dabei?" grinste Fr. Trotzki. "Brrrrr!" schüttelten sich die beiden "Das ist ja ätzend...." "Und so gesund...!" lächelte Mutsch. Enttäuscht zogen die Kinder ab. Und Mutsch werkelte geschäftig in der Küche herum.
Nach einer geraumen Weile rief sie: "Kommt, Kinder, das Essen ist fertig!"
Lea und Lena, beide gewöhnt, dass Mutsch sonst ihre Lieblingsessen auf den Tisch brachte, kamen angerannt. Voller Vorfreude setzten sie sich an den gedeckten Tisch. "Was gibt es denn?"
"Vollkornnudeln mit frischer Gemüsesoße!"
" Das esse ich aber nicht!" wollte Lena schon wieder aufstehen und Lea maulte: "Was soll das denn, Mutsch, du weißt doch, dass ich das nicht esse!"
"Erst probieren und dann meckern. Ich habe in eine Zeitschrift gelesen, dass Schulkinder viel zu wenig Obst, Gemüse und Vollkornprodukte essen. Lea, du könntest eh ein paar Pfündchen weniger vertragen."
Nun ja, die Nudeln ließen sich die beiden noch gefallen, selbstverständlich mit schnell hervor geholtem Ketchup, aber die Soße...nee...das war doch nun wirklich zu gesund. Beim Probieren wurde das Gesicht erst verzogen, dann der Kopf geschüttelt. Mutsch dachte nach.
War sie früher auch so gewesen? Hatte sie sich bei Gemüse auch so gesträubt? Und dann lächelte sie, als sie an ihre Kämpfe mit ihrer Mutter dachte, als es um den ungeliebten Spinat und die verhasste Gemüsesuppe ging. Na ja, wirklich lecker waren diese gesunden Sachen ja auch nicht, so ganz ohne Sahne, Fleisch, Zucker und die anderen ungesunden Sachen, die eben das Essen so schmackhaft machten. Am nächsten Morgen ging das Genörgel weiter
"Was soll das denn? Ich wollte ein Brot mit Nutella drauf!" heulte Lea los. "Das ist nicht gut für die Zähne! Es gibt jetzt Vollkornbrot mit Putenbrust und ein paar Scheiben Gurke mit in die Schule."
"Das esse ich nicht, das kannst du gleich hier behalten!" wollte Lea stur bleiben. "Etwas anderes wird es aber nicht geben, ich schneide dir noch einen Apfel und dann ist gut!"
So ging das wochenlang und inzwischen hatte Lea wohl eingesehen, dass sie gegen Mutsch's Gemüsetick nicht ankam. Jedenfalls aß sie kleine Portionen Gemüse, zwar mit bitterer Leidensmiene, aber sie aß sie. Mutsch war mittlerweile aufgefallen, dass Lea ihre paar Pfündchen verloren hatte, aber auch ihr lachendes Gesicht. Trotzdem sie würde es genauso machen wie ihre Mutter und Lea Gemüse und Vollkornprodukte immer wieder anbieten. Etwas anderes würde eben nicht auf den Tisch kommen. Oder ... vielleicht nur ganz selten ... so als Anreiz!

 
Väinämöinen    -   © Manfred Schröder
Es war Frühling. Jukka lief durch das feuchte, mit Tauperlen bedeckte morgendliche Gras, das sich an seine nackten Füße schmiegte. Der Wind roch nach frischer Erde und Schilf am See. Ein Zug wilder Schwäne flog über ihn dahin und fiel ins Land. Er kletterte auf einen der großen Steine, auf denen früher Riesen gesessen hatten. So jedenfalls hatte es ihm Urho erzählt. Uralt war er und hatte sie bestimmt noch gekannt. Der Junge liebte diesen Platz. Und wenn er auf dem Rücken lag und Wolken am Himmel über ihn hinwegzogen, zog er mit ihnen bis ins Nordland. Doch jetzt stand er aufrecht und sein Blick ging über den See; über weite Felder bis zu den Wäldern, wo Ilmarinen noch immer die Esse schlägt. Und es gibt Menschen, die den Klang auch heute noch hören, den an manchen Tagen der Wind herüberträgt.
Ihn überfiel die Lust zum Singen. Den alten Väinämöinen herauszufordern. Den alten Urzeitsänger. Die Freude in seinem Herzen hinauszutragen in den sonnendurchfluteten Morgen. Er hob seine Arme und eine helle Stimme schwebte in der Luft. Sie stieg höher und eine Lerche antwortete mit übermütigem Schall. Der Wettgesang lockte Bär und Fuchs, Wolf und Hase aus Höhle und Bau.
Jukka blickte zum See, dessen Ufer weißfedrig geschmückt war. Plötzlich teilte sich das Wasser, schäumte auf und aus den Fluten entstieg Väinämöinen, der Urzeitsänger. Groß erhob er sich und an Bart und Haar hing der Tang des Sees. Er gewahrte Jukka und kam auf ihn zu.
"Nun, wer hat mich da gerufen? Hat an meinem Ohr gekitzelt? Den alten Sänger in mir wach gemacht?"
Da stand nun Jukka. Ja, er hatte ihn herbeigesungen. Wollte sich mit ihm messen. Nun, wo dieser vor ihm stand, brachte er keinen Ton hervor.
Doch Väinämöinen lachte. "Hör, Milchbart. Hast mir einen großen Schrecken eingejagt mit deinem Lied. Und weiß nicht recht, darauf zu antworten. So lasst uns denn gemeinsam zum großen Gesang anheben."
Jukkas Augen wurden wieder hell und klar. Seine Brust atmete frei und ein erster hoher Klang entflog seinem Mund. Dann fiel Väinämöinen ein. Mit Tönen uralt und tief.
Die Bauern auf den Feldern, richteten sich auf. Der Teig der Bäuerin blieb an ihren Fingern kleben. Und der Fischer vergaß seine Netze auszuwerfen.
Eine Stimme drang an Jukkas Ohr. Er öffnete die Augen. Vor dem großen Stein stand Aino.
"Was machst du da und stehst mit erhobenen Armen und schaust Löcher in die Luft?"
Er rieb seine Augen.
"Väinämöinen ..."
Aino lachte hell auf.
"Hast wieder geträumt von Väinämöinen. Doch komm herunter und lasst uns Fangen spielen. Und vergiss den alten Rauschebart!"
Jukka stand noch einen Augenblick und dachte nach.
"Na, komm schon!", rief Aino zum zweiten Male.
Dann lachte auch Jukka und sprang vom Stein. Aino rannte davon und Jukka lief ihr nach. Wenn er glaubte, sie greifen zu können, schlug sie wie der Hase einen Haken und Jukka fasste ins Leere. Aino lachte und das heitere Spiel begann von vorne. Endlich ließ sich Aino auf den Boden fallen und Jukka warf sich neben sie. Er blickte in zwei blaue Augen, die wie ein See waren und zum Schwimmen einluden. Er legte seinen Kopf auf ihre junge Brust. Aino lächelte und fuhr mit der Hand über sein dunkles Haar.
*
Väinämöinen = Hauptheld des finnischen Nationalepos Kalevala
Ilmarinen = Schmied. Ebenfalls eine Hauptfigur des Kalevala 



Das Geheimnis der falschen Braut
Ein Dudweiler Märchen in Bildern     -    © Ronald Henss
Es war einmal ein edler Prinz, jung, tapfer und schön wie kein anderer je ward gesehn. Das Volk verehrte seinen Prinzen und sehnte den Tag herbei, an dem er eine wunderschöne Braut erwählen und zur Königin des Reiches küren würde. Tief in seinem Innern trug der Prinz das Bild einer Edlen, deren Schönheit alles überstrahlte. Ihr, nur ihr alleine wollte er sein Herz schenken und sie, nur sie wollte er zur Königin und Mutter seiner Kinder machen.
Und so zogen Gesandte und Späher durch die Lande und suchten nach der edlen Auserwählten. Fürsten und Könige aller Länder boten die Hand ihrer Töchter. Doch jedes Mal sprach der edle Prinz: "Das ist nicht die rechte, der mein Herz gehört."
Und so zogen die Jahre ins Land. Viele lange Jahre; und der edle Prinz - jung, tapfer und schön wie ehedem - war noch immer auf der Suche nach der rechten Braut.
Als der edle Prinz eines Tages über den Marktplatz in Dudweiler ritt, geschah das Wunder. Schon aus der Ferne sah er sie. Dort saß in einem offenen Cabriolet, das lockige Haar umhüllt mit einem großen weißen Schleier, eine Braut so edel und schön wie es die Welt noch nie gesehn. Da schwang sich der edle Prinz vom Pferde und schritt auf die Schöne zu.
Indes rief einer der an der Würstchenbude Stehenden: "He, was glotzt du da so dumm!" Und dann lachte der Bursche: "Das ist eine Schaufensterpuppe, die ich gleich ins Saarbrücker Staatstheater fahren werde. Ich muss nur noch meine Wurst essen. Lass bloß deine fettigen Finger von der Braut!"
Da wurde der edle Prinz zornig und er schlug dem rohen Burschen die Currywurst aus der Hand. Und während der Menge vor Staunen die Münder offen standen, schritt der edle Prinz zum Cabriolet, verbeugte sich vor der Schönen und sprach: "Edle Schöne, ich bin gekommen, dich zu meiner Braut zu nehmen, dich zu meiner Königin und zur Mutter meiner Kinder zu machen. Und so gewähre mir einen Kuss."
Als er sie küsste, blendete ihn ein greller Blitz und es ertönte ein Donnerhall und vor ihm stand eine uralte hässliche Hexe. Mit einer scheußlichen Rabenstimme krächzte sie: "Was starrst du mich so an, du Trottel! Ich bin eine verwunschene Hexe und ich warte nun schon Hunderte Jahr', auf dass ein dämlicher Prinz mich durch seinen schmierigen Kuss erlöst."
Und mit lautem Zischen flog die Hexe auf einem Besen durch die Lüfte zum Brennenden Berg, wo sie durch eine Felsspalte ins Bergesinnere verschwand. Dort sitzet sie in der höllischen Glut und schickt heiße schweflig stinkende Rauchschwaden durch die Spalten und Risse im Berggestein.
Der edle Prinz aber wurde in einen riesengroßen grünen steinernen Frosch verwandelt und in den Garten der Villa eines Bergwerkdirektors am Fuße des Brennenden Berges verbannt. Dort sitzet der große grüne steinerne Frosch sommers wie winters, tagaus, tagein, bei Wetter und Wind, bei Regen und Schnee, bei Hitze und Trockenheit und wartet, dass ihn ein hässliches Mägdelein küsst. Und wenn ihn keine geküsset hat, so wartet er dort noch heute.
***   ***
Kleine Helfer im Garten
© Evelyn Schütz
Kindergeschrei drang an mein Ohr. Um zu sehen, wer da so aufgeregt herumkrakeelte, schaute ich neugierig aus dem Fenster.
Lisa und Dennis, die beiden jüngsten Enkelkinder unserer Nachbarn liefen unten im Garten herum. Sie waren zu Besuch bei den Großeltern.
Hannes und Meta, früher einmal als Bauern tätig, betrieben hinter ihrem Haus einen riesigen Nutzgarten. Nachdem sie vor einigen Jahren die Landwirtschaft aus Altersgründen aufgegeben hatten, zogen sie hier eine Menge leckeres Grünzeug heran. Einen Großteil ihrer Zeit verbrachten sie in dem Garten. Da auch die Kinder mit Vorliebe darin herum tobten und spielten, kamen sie sehr oft zu Besuch.
Der Garten war ein super Spielplatz, in dem es immer etwas Neues zu entdecken gab. Hier konnte man wunderbar Früchte stibitzen, Schmetterlinge jagen und Regenwürmer ausgraben. Lisa schaute außerdem mit wachsendem Interesse den Großeltern bei der Arbeit zu. Heute stand die Kartoffelernte an. Klar, dass die Kinder wieder als Erntehelfer gekommen waren.
Dennis, der sich gerade einen Spaß daraus gemacht hatte, kreuz und quer durch die Kartoffelreihen zu springen, blieb abrupt stehen. Kritisch schaute er hinunter vor seine Füße. Er hatte einen Kartoffelkäfer entdeckt, nahm ihn auf und hielt ihn triumphierend hoch. Dann drehte er sich um, lief mit seinem Fund zu Lisa und verkündete seiner Schwester inbrünstig: "Den mache ich jetzt tot!"
Lisa, bereits etwas älter und größer als ihr Bruder, war jedoch schneller. Blitzartig ergriff sie den Käfer und brachte ihn in ihrer hohlen Hand in Sicherheit. Tadelnd sah sie den kleinen Bruder an. "N e i n, den macht man nicht tot. Den setze ich jetzt hier hin", rief sie, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand mit dem Käfer im hinteren Teil das Gartens.
Dennis lief sofort hinter her und meinte:" Doch, den macht man tot, gib her!" Er griff nach Lisas Arm. Doch er hatte keine Chance. Lisa streckte ihre Hand so hoch sie konnte. Da kam Dennis nicht heran. Er hatte verloren und ging nach Hilfe suchend zum Großvater. Mit der fragenden Feststellung: "Gel Opa, den Kartoffelkäfer macht man tot", erhoffte er sich Zustimmung. Großvater Hannes, vollauf damit beschäftigt, die reifen Kartoffeln aus der Erde zu graben, grob zu säubern und in einen Korb zu legen, meinte dann auch etwas abwesend: " Ja, ja, das kann man ruhig machen".
Lisa ihrerseits war zur Großmutter gerannt, um sich mit der empörten Feststellung: "Oma, den darf man doch nicht einfach tot machen, oder?", von dort ihre Bestätigung zu holen. Die Antwort der Großmutter konnte ich nicht hören, sah jedoch, dass Lisa zu dem alten Apfelbaum am hinteren Ende des Gartens rannte und daran hochsprang. Die ganze Zeit hatte sie den armen Käfer fest in der geballten Faust gehalten. Jetzt ließ sie das Tier, so hoch ihr Arm reichte, auf eine Astgabelung fallen und entließ ihn zurück in die Freiheit.
Schon kam Dennis angelaufen. Ein Blick in Lisas zufriedenes Gesicht zeigte ihm jedoch, der Käfer war aus dem Spiel. Weder er noch Lisa konnten ihn jetzt erreichen.
Was aus dem Käfer geworden ist? Wer weiß?
Gut möglich, dass er bereits durch die schützende Hand, die ihn eine Zeit lang fest umklammert gehalten hat, gestorben ist. Dann hat er in der Astgabel sein Grab gefunden.
Vielleicht hat er auch überlebt und ist davon geflogen, dann wird er noch eine Zeit lang an fremden Kartoffeln nagen.
Keine Ahnung, die Kinder jedenfalls hatten ihr Interesse verloren. Ohne weitere Worte, machten die beiden kehrt, sprangen in eine andere Ecke des Gartens und suchten im Gras herum.
Kurze Zeit später sah ich, wie sie friedlich vereint zusammen auf die Gartenbank saßen und sich gegenseitig neu gefundene Schätze zeigten.


 
Max Minibagger - 1. Folge
© Katharina Britzen
Es war einmal ein kleiner Minibagger, der so rot wie Klatschmohn war. Er durfte immer nur zusehen, wenn die großen Bagger auf der Baustelle arbeiteten. Wie sie große Löcher mit ihren Grabeschaufeln aushoben, wo später Häuser und Brücken entstanden. Zu gerne hätte Max Minibagger mitgeholfen, aber alle lachten ihn aus und sagten: "Was will denn so ein kleiner Bagger hier. Werde erst einmal groß, dann kannst du mit uns zusammenarbeiten" und jagten ihn wie einen Dieb von der Baustelle.
Große Baggertränen kullerten Max Minibagger aus seinen Augen, denn er war ja schon erwachsen und würde nicht größer werden als er jetzt war. Schließlich war er ein Minibagger, etwas ganz Besonderes, etwas, das die anderen aber nicht wussten.
Traurig trottete er davon und beobachtete von weitem, wie emsig die riesigen Bagger auf der Baustelle arbeiteten, wie sich ihre Schaufeln auf und nieder bewegten, aus dem festen Boden dicke Steinbrocken heraushuben und ihn nicht weiter beachteten. Zu gerne hätte er geholfen, traute sich aber nicht, weil er fürchtete, wieder verjagt zu werden. Unendlich traurig darüber schluchzte er leise vor sich hin und seine Grabeschaufel ging aufgeregt auf und nieder.
"Hallo, Max Minibagger, warum bist du so traurig?"
Max Minibagger schwenkte seine Schaufel um zu sehen, wer mit ihm sprach, konnte aber niemanden sehen. Er drehte sich um die eigene Achse, immer und immer wieder. Woher kam die Stimme?
"Hier bin ich", piepste ein zartes Stimmchen von vorne und als Max Minibagger auf seine Grabeschaufel starrte, entdeckte er einen Maulwurf darin, der ihn freundlich durch seine kleinen Augen anblinzelte. Erstaunt darüber, dass plötzlich jemand freundlich zu ihm war, hörte er auf zu weinen.
"Ich bin der Maulwurf 'Sieht nicht gut'", wisperte es aus seiner Grabeschaufel. "Seit Tagen fällt mir auf, dass du so traurig bist und ständig weinst. Kannst du mir den Grund dafür sagen?"
Und Max Minibagger erzählte dem Maulwurf "Sieht nicht gut" von seinem Kummer, keine Löcher ausheben zu dürfen, was doch seine größte Leidenschaft und eigentlich auch sein Beruf als Minibagger sei.
Geduldig hörte der Maulwurf "Sieht nicht gut" ihm zu, streichelte ab und zu die Innenseiten der Grabeschaufel, bis Max Minibagger ihm sein Herz ausgeschüttet hatte und der Kummer von Max Minibagger nicht mehr so groß war. Dann überlegte der Maulwurf "Sieht nicht gut" einen kleinen Augenblick, hatte eine Idee und sprach: "Wenn du so gerne Löcher buddelst, dann komm doch mit in unser Land Krümelboden, in dem wir leben. Dort kannst du uns Wohnungen baggern so viele du möchtest. Wir leben die meiste Zeit unter der Erde, aber manchmal möchten wir auch die Sonne sehen und die Wärme genießen und müssen dafür durch unsere unterirdischen Straßen nach oben. Da drüben auf den Feldern wohnen wir" und zeigte mit seiner kurzen Pfote auf das Land Krümelboden, auf die Wiesen und Felder, die am Waldrand lagen.
Erwartungsvoll sah der Maulwurf "Sieht nicht gut" Max Minibagger an, dessen Gesichtsausdruck langsam von traurig in froh umschlug und dessen Augen wieder zu strahlen anfingen.
"Oh, wie gerne würde ich euch helfen, Tag und Nacht kann ich mit meinen starken Grabeschaufeln Löcher ausheben. Wann soll ich anfangen?"
Max Minibagger war richtig aufgeregt, als ihn der Maulwurf "Sieht nicht gut" aufforderte, mit in das Land Krümelboden zu kommen, um ihn seiner Familie und seinen Freunden vorzustellen. War die Freude groß, als die Maulwürfe Max Minibagger willkommen hießen und sich ausgelassen von seiner Grabeschaufel hin und herschwenken ließen. Vor allen Dingen die Maulwurfskinder hatten ihre helle Freude daran, jauchzten vor Begeisterung und kamen sich vor wie auf einem Karussell, wenn sich Max Minibagger um die eigene Achse drehte. Maulwürfe vor ihnen hatten so etwas noch nie erlebt, hatten noch nie einen Minibagger zum Freund, worüber sie überglücklich waren.
Ab sofort hatte Max Minibagger Tag und Nacht zu tun, half seinen kleinen Freunden und baggerte ihnen im Land Krümelboden die schönsten und tiefsten Löcher, die je ein Maulwurf gesehen hatte. Viele von ihnen brauchten jetzt nicht mehr so viele Löcher zu buddeln, sondern hatten mehr Zeit zum Spielen. Abends feierten sie zusammen, erzählten sich Geschichten, sangen Lieder und Max Minibagger war glücklich und zufrieden.
Und hier gibt es Max Minibagger - Folge 2
 
Max Minibagger und seine Lieblingsspeisen - Folge 2
© Katharina Britzen
Viele Jahre lebte nun Max Minibagger mit seinen kleinen Freunden im Land Krümelboden zusammen. Die Bagger, Raupen und Lkws waren längst zur nächsten Baustelle gezogen, da alle Hochhäuser fertig waren. Max Minibagger war nicht mehr traurig, denn er hatte ja genug zu tun. Von überall im Land Krümelboden kamen die Maulwürfe und baten um seine Hilfe. Und Max Minibagger baggerte und baggerte, dass es eine Freude war. Die Maulwürfe belohnten ihn mit allerlei Maulwurfleckerbissen wie dicken weißen Maden, Käfer, Regenwürmern, die eine Delikatesse im Land Krümelboden waren. Max Minbagger bedankte sich artig und legte alles fein säuberlich auf einen Haufen.
"Das hebe ich mir auf für heute Abend", versprach er den Maulwürfen, die ihm beim Essen zusehen wollten, denn eigentlich mochte er keine Regenwürmer, keine Schnecken, keine Käfer. Aber er wollte seine kleinen Freunde nicht kränken, die ihm ja damit eine Freude machen wollten und nicht wussten, dass er ihr Essen nicht besonders mochte. Einmal war ihm sogar davon schlecht geworden, weil er probiert hatte und den schwarzen Käfer aus Versehen runtergeschluckt hatte.
Wenn es dunkel war, ließ er die Käfer, Maden und alle die Tiere, die ihm die Maulwürfe zum Essen gebracht hatten, wieder frei. Er liebte Sand und Steine über alles. Noch viel lieber mochte er dunkle, feuchte Walderde, die voller Blätter, Tannenzapfen, Moos und Pilzen war. Pilze waren seine Leibspeise. Im Herbst, wenn im Wald die schönsten und größten Pilze wuchsen. fand er immer häufiger Pilze in seiner Grabeschaufel und wunderte sich darüber, denn außer ihm wusste doch niemand davon. Wer brachte ihm heimlich seine Lieblingsspeise?
Eines Abends blieb er lange wach und bemerkte, wie jemand etwas in seine Grabeschaufel legte und beim Hinsehen erkannte er den Maulwurf "Schnuppergut", der sich schon davonschleichen wollte.
"Warte, warte, Maulwurf "Schnuppergut", rief ihm Max Minibagger zu, "woher weißt du, dass ich Pilze so liebe?"
Maulwurf "Schnuppergut" kicherte vor sich hin und flüsterte ihm zu: "Ich bin dir vor zwei Tagen heimlich in den Wald gefolgt und habe dich beim Pilzepflücken beobachtet und wie du genussvoll in einen Steinpilz hinein gebissen hast. Dabei hast du mit dir selber gesprochen und gesagt: Wüssten meine kleine Freunde, die Maulwürfe doch bloß, dass ich keine Würmer, Käfer und solcherlei Getier mag und viel lieber Pilze und Walderde esse". Max Minibagger wurde puterrot, noch roter als seine rote Farbe und schämte sich ein bisschen.
"Tut mir leid, Maulwurf "Schnuppergut", meinte er kleinlaut. "Ich wollte euch nicht kränken, aber ich mag keine Tiere essen."
Maulwurf "Schnuppergut" ging zu ihm hin, lächelte ihn freundlich an und meinte: "Aber lieber kleiner Minibagger, das macht doch gar nichts. Ab sofort bringen wir dir, so oft es geht, deine Lieblingsspeisen, aber keine kleinen Tiere mehr, versprochen". Und Max Minibagger war sehr froh darüber. Immer öfter fand er Tannenzapfen, riesige Pilze, bunte Steine, kleinere Äste in seiner Grabeschaufel, die er dann hungrig verspeiste und manchmal laut rülpste, weil es ihm so gut schmeckte, worüber die Maulwürfe sich vor Lachen ihre Bäuche halten mussten, denn Rülpsen konnten sie nicht.
Und hier gibt es Max Minibagger - Folge 3

 
Max Minibagger rettet seinen kleinen Freund - Folge 3
© Katharina Britzen
In dem nahen Wald an der Grenze zum Land Krümelboden wohnte der Habicht Greifkralle, der der ärgste Feind der Maulwürfe war und die ihn sehr, sehr fürchteten, weil der Habicht früher kleine Maulwurfskinder gefangen hatte und mit in sein Nest in die hohen Baumwipfeln nahm, dorthin wo kein Maulwurf je hinkam. Seit der Minibagger mit den Maulwürfen im Land Krümelboden zusammenlebte, hatte der Minibagger ihn schon oft vertrieben, wenn er in die Nähe seiner kleinen Freunde kam. Der kleine Minibagger machte dann fürchterliche Geräusche oder schwenkte seine Grabeschaufel so Furcht erregend, dass der Habicht Greifkralle schnell davonflog.
Eines Nachts, der kleine Minibagger träumte von einer Riesenbaustelle, als es ihn überall kribbelte und kitzelte und er glaubte, in einem Ameisennest zu sitzen. Langsam öffnete er die Augen und sah alle Maulwürfe aufgeregt in seiner Grabeschaufel sitzen. Sie stupsten ihn, zupften an ihm rum, kitzelten ihn und schrien laut, aber am lautesten schrie die Maulwurfsmama Hört-nicht-gut, denn sie konnte ihre eigene Stimme nicht hören.
"Hilfe, Hilfe, kleiner Minibagger. Habicht Greifkralle hat den kleinen Maulwurf Vorwitz gefangen und ist mit ihm unterwegs in sein Nest. Bitte, bitte, kleiner Minibagger, hilf mir und bring mir mein Kind zurück", schrie die Maulwurfsmama Hört-nicht-gut voller Angst in einem fort und zerrte und zurrte wie wahnsinnig an seiner Grabeschaufel, das ihm beinahe angst und bange wurde.
Der kleine Minibagger wurde wütend und zitterte am ganzen Minibaggerkörper, denn der kleine Maulwurf Vorwitz war sein ganz besonderer Freund, der immer so schöne Geschichten von tief unten in der Erde erzählte, was der Minibagger so spannend fand. Nur wie sollte er helfen, denn der Habicht Greifkralle flog schon weit über den Bäumen aus dem Land Krümelboden davon in den nachtschwarzen Himmel. Der Minibagger konnte nämlich auch fliegen, hatte aber schreckliche Flugangst, sodass er eigentlich nie flog. Er überlegte hin und her, her und hin und hatte solche Angst, zu fliegen. Außerdem war er nicht schwindelfrei. Aber der Habicht Greifkralle war schon so weit entfernt, er musste ihn einholen, um den kleinen Maulwurf Vorwitz noch zu retten. Es nützte nichts, Freunde müssen einander immer helfen und so stellte er seinen Motor an, hob die Grabeschaufel in die Höhe und drückte den Knopf, mit dem der Minibagger fliegen konnte. Langsam schwebte er in die Lüfte. Ganz mulmig war ihm, und er traute sich gar nicht, nach unten zu gucken. Aber je höher er stieg, umso mehr machte es ihm Spaß und flog höher und höher, fast wie ein Flugzeug. Bomm, bomm, sein kleines Minibaggerherz schlug dabei vor Aufregung und Freude. Vorne sah er den Habicht Greifkralle mit seinem kleinen Freund Maulwurf Vorwitz, der vor lauter Angst Hilfe, Hilfe schrie.
"Hab keine Angst, Maulwurf Vorwitz. Gleich bin ich bei dir" und der kleine Minibagger schaltete in einen anderen Gang, um noch schneller zu fliegen. Da drehte sich Habicht Greifkralle um und erschrak fürchterlich, als er den kleinen Minibagger sah, der ihn durch die Lüfte verfolgte und ihn schon fast eingeholt hatte. Vor lauter Angst öffnete Habicht Greifkralle seine Krallen und ließ den kleinen Maulwurf Vorwitz fallen, der direkt in die Grabeschaufel vom kleinen Minibagger plumpste. Unter Tränen der Erleichterung rief der kleine Maulwurf Vorwitz "Danke, mein Freund" und machte es sich für den Rückflug in der Grabeschaufel bequem. Als der kleine Minibagger mit seinem kleinen Freund im Land Krümelboden auf der Wiese am Wald landete, waren alle überglücklich. Heftig umarmte die Maulwurfsmama Hört-nicht-gut ihr Kind und schrie so laut Danke, dass alle anderen sich die Ohren zuhalten mussten. Die ganze Nacht feierten sie und der Habicht Greifkralle sah neidisch von oben zu, denn seit der kleine Minibagger bei den Maulwürfen lebte, hatte er kein Maulwurfskind mehr fangen können, was den Habicht Greifkralle fürchterlich ärgerte.
Und hier gibt es Max Minibagger - Folge 4
 
Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich
In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön; aber die jüngste war so schön, dass die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich verwunderte, sooft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schlosse des Königs lag ein grosser dunkler Wald, und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen; wenn nun der Tag recht heiss war, so ging das Königskind hinaus in den Wald und setzte sich an den Rand des kühlen Brunnens – und wenn sie Langeweile hatte, so nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Höhe und fing sie wieder; und das war ihr liebstes Spielwerk.

Nun trug es sich einmal zu, dass die goldene Kugel der Königstochter nicht in ihr Händchen fiel, das sie in die Höhe gehalten hatte, sondern vorbei auf die Erde schlug und geradezu ins Wasser hineinrollte. Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, so tief, dass man keinen Grund sah. Da fing sie an zu weinen und weinte immer lauter und konnte sich gar nicht trösten. Und wie sie so klagte, rief ihr jemand zu: „Was hast du vor, Königstochter, du schreist ja, dass sich ein Stein erbarmen möchte.“ Sie sah sich um, woher die Stimme käme, da erblickte sie einen Frosch, der seinen dicken, hässlichen Kopf aus dem Wasser streckte. „Ach, du bist’s, alter Wasserpatscher,“ sagte sie, „ich weine über meine goldene Kugel, die mir in den Brunnen hinabgefallen ist.“ – „Sei still und weine nicht,“ antwortete der Frosch, „ich kann wohl Rat schaffen, aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielwerk wieder heraufhole?“ – „Was du haben willst, lieber Frosch,“ sagte sie; „meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine, auch noch die goldene Krone, die ich trage.“ Der Frosch antwortete: „Deine Kleider, deine Perlen und Edelsteine und deine goldene Krone, die mag ich nicht: aber wenn du mich liebhaben willst, und ich soll dein Geselle und Spielkamerad sein, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldenen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken, in deinem Bettlein schlafen: wenn du mir das versprichst, so will ich hinuntersteigen und dir die goldene Kugel wieder heraufholen.“ – „Ach ja,“ sagte sie, „ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wieder bringst.“ Sie dachte aber: Was der einfältige Frosch schwätzt! Der sitzt im Wasser bei seinesgleichen und quakt und kann keines Menschen Geselle sein.

Der Frosch, als er die Zusage erhalten hatte, tauchte seinen Kopf unter, sank hinab, und über ein Weilchen kam er wieder heraufgerudert, hatte die Kugel im Maul und warf sie ins Gras. Die Königstochter war voll Freude, als sie ihr schönes Spielwerk wieder erblickte, hob es auf und sprang damit fort. „Warte, warte,“ rief der Frosch, „nimm mich mit, ich kann nicht so laufen wie du!“ Aber was half es ihm, dass er ihr sein Quak, Quak so laut nachschrie, als er konnte! Sie hörte nicht darauf, eilte nach Hause und hatte bald den armen Frosch vergessen, der wieder in seinen Brunnen hinabsteigen musste.

Am andern Tage, als sie mit dem König und allen Hofleuten sich zur Tafel gesetzt hatte und von ihrem goldenen Tellerlein ass, da kam, plitsch platsch, plitsch platsch, etwas die Marmortreppe heraufgekrochen, und als es oben angelangt war, klopfte es an die Tür und rief: „Königstochter, jüngste, mach mir auf!“ Sie lief und wollte sehen, wer draussen wäre, als sie aber aufmachte, so sass der Frosch davor. Da warf sie die Tür hastig zu, setzte sich wieder an den Tisch, und es war ihr ganz angst. Der König sah wohl, dass ihr das Herz gewaltig klopfte, und sprach: „Mein Kind, was fürchtest du dich, steht etwa ein Riese vor der Tür und will dich holen?“ – „Ach nein,“ antwortete sie, „es ist kein Riese, sondern ein garstiger Frosch.“ – „Was will der Frosch von dir?“ – „Ach, lieber Vater, als ich gestern im Wald bei dem Brunnen sass und spielte, da fiel meine goldene Kugel ins Wasser. Und weil ich so weinte, hat sie der Frosch wieder heraufgeholt, und weil er es durchaus verlangte, so versprach ich ihm, er sollte mein Geselle werden; ich dachte aber nimmermehr, dass er aus seinem Wasser herauskönnte. Nun ist er draussen und will zu mir herein.“ Und schon klopfte es zum zweitenmal und rief:
„Königstochter, jüngste,
Mach mir auf,
Weisst du nicht, was gestern
Du zu mir gesagt
Bei dem kühlen Wasserbrunnen?
Königstochter, jüngste,
Mach mir auf!“
Da sagte der König: „Was du versprochen hast, das musst du auch halten; geh nur und mach ihm auf.“ Sie ging und öffnete die Türe, da hüpfte der Frosch herein, ihr immer auf dem Fusse nach, bis zu ihrem Stuhl. Da sass er und rief: „Heb mich herauf zu dir.“ Sie zauderte, bis es endlich der König befahl. Als der Frosch erst auf dem Stuhl war, wollte er auf den Tisch, und als er da sass, sprach er: „Nun schieb mir dein goldenes Tellerlein näher, damit wir zusammen essen.“ Das tat sie zwar, aber man sah wohl, dass sie’s nicht gerne tat. Der Frosch liess sich’s gut schmecken, aber ihr blieb fast jedes Bisslein im Halse. Endlich sprach er: „Ich habe mich sattgegessen und bin müde; nun trag mich in dein Kämmerlein und mach dein seiden Bettlein zurecht, da wollen wir uns schlafen legen.“ Die Königstochter fing an zu weinen und fürchtete sich vor dem kalten Frosch, den sie nicht anzurühren getraute und der nun in ihrem schönen, reinen Bettlein schlafen sollte. Der König aber ward zornig und sprach: „Wer dir geholfen hat, als du in der Not warst, den sollst du hernach nicht verachten.“ Da packte sie ihn mit zwei Fingern, trug ihn hinauf und setzte ihn in eine Ecke. Als sie aber im Bett lag, kam er gekrochen und sprach: „Ich bin müde, ich will schlafen so gut wie du: heb mich herauf, oder ich sag’s deinem Vater.“ Da ward sie erst bitterböse, holte ihn herauf und warf ihn aus allen Kräften wider die Wand: „Nun wirst du Ruhe haben, du garstiger Frosch.“

Als er aber herabfiel, war er kein Frosch, sondern ein Königssohn mit schönen und freundlichen Augen. Der war nun nach ihres Vaters Willen ihr lieber Geselle und Gemahl. Da erzählte er ihr, er wäre von einer bösen Hexe verwünscht worden, und niemand hätte ihn aus dem Brunnen erlösen können als sie allein, und morgen wollten sie zusammen in sein Reich gehen. Dann schliefen sie ein, und am andern Morgen, als die Sonne sie aufweckte, kam ein Wagen herangefahren, mit acht weissen Pferden bespannt, die hatten weisse Straussfedern auf dem Kopf und gingen in goldenen Ketten, und hinten stand der Diener des jungen Königs, das war der treue Heinrich. Der treue Heinrich hatte sich so betrübt, als sein Herr war in einen Frosch verwandelt worden, dass er drei eiserne Bande hatte um sein Herz legen lassen, damit es ihm nicht vor Weh und Traurigkeit zerspränge. Der Wagen aber sollte den jungen König in sein Reich abholen; der treue Heinrich hob beide hinein, stellte sich wieder hinten auf und war voller Freude über die Erlösung.

Und als sie ein Stück Wegs gefahren waren, hörte der Königssohn, dass es hinter ihm krachte, als wäre etwas zerbrochen. Da drehte er sich um und rief:
„Heinrich, der Wagen bricht!“
„Nein, Herr, der Wagen nicht,
Es ist ein Band von meinem Herzen,
Das da lag in grossen Schmerzen,
Als Ihr in dem Brunnen sasst,
Als Ihr eine Fretsche (Frosch) wast (wart).“
Noch einmal und noch einmal krachte es auf dem Weg, und der Königssohn meinte immer, der Wagen bräche, und es waren doch nur die Bande, die vom Herzen des treuen He

 
Die kleine Feldmaus leuchtet in der Nacht
Es war ein herrlicher, lauer Sommertag. Die kleine Feldmaus und ihre Freunde spielten den ganzen Tag auf dem Feld beim Weiher. Sie spielten Fangen, Verstecken und rannten um die Wette.
Nach dem Abendbrot trafen sich die Freunde bei Familie Igel. Sie hatten vor, Laternen zu basteln. Aus diversen Vorlagen suchte sich jeder eine aus und dann fing das große Ausschneiden an. Schneidegeräusche erfüllten die Terrasse. Aber einige Minuten später wurde es wieder ruhiger. Jetzt waren Falten und Kleben angesagt. Jeder hatte sich eine andere Laternenform ausgesucht.
Die Laterne vom Igel war quadratisch und sah wie ein länglicher Würfel aus. Der Frosch hatte sich eine sechseckige ausgesucht. Das Schweinchen findet rund gut. Deswegen wurde seine Laterne wie eine Nackenrolle länglich und rund. Die kleine Feldmaus hatte sich eine aus Dreiecken ausgesucht. Sie sah wie ein Diamant aus. Das lag aber auch an den bunten Fenstern, die die Freunde aus farbenfrohem Pergamentpapier bastelten. Zum Schluß setzte jeder ein Teelicht in die Mitte seiner Laterne.
Mit einer Schnur wurde jede Laterne an einem Stöckchen angebracht, so daß man die Laternen vor sich her tragen konnte. Als sie mit Basteln fertig waren, stellten sich alle nebeneinander hin. Mit ihren Laternen in Händen wurden sie von Frau Igel fotografiert. „Unsere Laternen sehen gut aus.“ sagte die Feldmaus. „Ja, finde ich auch. Besser als letztes Jahr.“ erwiderte das Schweinchen. Aber die kleine Feldmaus sah irgendwie unzufrieden aus.
„Was ist los? Du bist nicht zufrieden?“ fragte der kleine Frosch. „Geht so. Laternen haben wir jedes Jahr.“ „Ja klaro. Für den Laternenumzug brauchen wir nun mal Laternen.“ „Aber das ist irgendwie immer gleich.“ „Feldmaus! Wie soll es denn anders sein?“ fragte das Schweinchen. Aber die Feldmaus wußte es noch nicht so richtig. Der Lampionumzug war ja erst in zwei Tagen. Also noch genug Zeit zum Grübeln.
Zwei Tage später trafen sich die Freunde wieder bei Familie Igel, um die Vorbereitungen für den Umzug zu organisieren. Auch die Feldmaus sah nun wieder zufriedener aus. Was führte sie nur im Schilde? Sie machten die Teelichter an und stellten sie in ihre Laternen. Nur die Feldmaus hatte ihr Teelicht herausgenommen. Sie hatte ein elektrisches Licht mitgebracht, das an einer Stange mit Batterie und Schalter hing.
Dann wollten sie einen Testlauf starten. Die Freunde gingen nach draußen und stellten sich im Kreis auf. Die drei Teelicht-Laternen leuchteten schön bunt. Nur die Feldmaus hatte ihre Glühbirne noch nicht eingeschaltet. „Was ist? Mach dein Licht auch an.“ forderte das Schweinchen. Doch als die Feldmaus ihr Licht anschaltete, leuchtete nicht ihre Laterne, sondern die Feldmaus.
„Ohhh!“ staunten die Freunde. Wie machte die Feldmaus das bloß? „Wieso leuchtest du“ fragte der Frosch. „Genau! Und wieso leuchtet deine Laterne nicht?“ hakte der Igel nach. „Die Glühbirne ist keine normale Glühbirne. Sondern es handelt sich um eine Schwarzlicht-Glühbirne. Deswegen leuchtet meine Laterne nicht. Und auf meine Wangen und Arme habe ich schon zuhause mit Leuchtcreme Muster gemalt. Und die Creme leuchtet bei Schwarzlicht.“ Die Freunde waren beeindruckt. Das wollten sie auch haben.
Die Feldmaus hatte die Leuchtcreme mitgebracht. Vier verschiedene Sorten, die in gelb, rot, blau und grün leuchteten. Die Freunde cremten sich im Gesicht und auf den Armen mit den Cremes ein. Sie malten Herzchen, Streifen, Tiere und sogar Buchstaben auf ihre Arme und ins Gesicht. Als sie fertig waren mit Eincremen, gingen sie erneut nach draußen und stellten sich in einem Kreis auf.
Als die Feldmaus ihr Lämpchen anknipste, leuchteten die Freunde ganz kunterbunt im Gesicht und an den Armen. Toll sah das aus. Die Laternen leuchteten aber auch. Denn alle vier hatten auch ihre Teelichter in den Laternen angezündet. Die Feldmaus grinste zufrieden. DAS war anders als jedes Jahr.
Stolz trugen die Freunde an diesem Abend ihre Laternen von Haus zu Haus. Sie sangen laut und bekamen Süßigkeiten. Sie hatten sogar den Eindruck, daß es mehr Süßigkeiten waren als sonst. Vielleicht lag das an ihrer bunten Beleuchtung.
Geschichte von Torsten Kühnert






Klein-Mary und der Riese Maclef


© Manfred Schröder


Klein-Mary war in den Wald gegangen, um Beeren zu suchen. Doch bald kam sie vom Wege ab und wusste nicht mehr, wo sie sich befand. Doch sie hatte keine Angst. Klein-Mary war ein mutiges Mädchen. Und immer wieder fand sie Beeren, schöne große blaue Beeren, die sie besonders mochte. Mit der Zeit wurde es dunkler und sie überlegte nun doch, welchen Weg sie nehmen sollte, um wieder nach Hause zu kommen. Denn ihr kleiner Korb war voll mit von Beeren.


Da sah sie zwischen den Bäumen eine Hütte.


Klein-Mary ging auf sie zu und gewahrte einen Riesen, der auf der Bank saß, welche unter dem Fenster stand, und Kartoffeln schälte.


Klein-Mary blieb vor ihm stehen. "Was machst du da?"


Der Riese hob seinen Kopf. "Ich schäle Kartoffeln, wie du siehst. Und wer bist du?"

Sie lachte. "Ich bin Klein-Mary. Und wie heißt du?"

Der Riese legte seine Stirne in Falten. "Ich bin der Riese Maclef. Und du wärst gerade ein richtiger Happen für mich. Kartoffeln habe ich ja schon."

Klein-Mary lachte wieder.

Maclefs Gesicht wurde drohender. "Lachst du über mich? Vorsichtig, denn ich bin ein gewaltiger Riese."

Die Mundwinkel von Klein-Mary gingen von einem Ohr zum anderen. "Ach, Maclef, ich lache immer!"

Maclef brummte. "So, so. Lachst immer. Na, da an dir ja nicht viel Fleisch dran ist, werde ich mich wohl mit Rüben zufrieden geben müssen."

Sein Blick fiel auf das Körbchen. "Was hast du denn da drin?"

"Hmm," sagte Klein Mary, und lachte wieder. "da sind Beeren drin. Möchtest du auch welche"?

Maclef erhob sich. "Warte hier. Ich gehe noch in den Garten und hole Rüben. Ja, Beeren mag ich immer."

Klein-Mary setze sich neben einem Baum und schaute einem Eichhörnchen zu, welches flink von Ast zu Ast sprang. Sie lächelte. Während sie so da saß, fühlte sie, wie sie müde wurde. Ihr Köpfchen senkte sich und bald war sie eingeschlafen.

*

Alle waren sie aufgeregt, weil Klein-Mary verschwunden war. Papa und Mamma, Opa und Oma und alle Nachbarn gingen los, ein jeder mit einer Taschenlampe, um sie zu suchen. Doch Klein-Mary war nirgendwo zu finden.

Da kam jemand auf die Idee, zum Wald zu gehen. Und als sie zum Waldesrand kamen - wen sahen sie da, friedlich schlafend neben einem Baum liegen? Klein-Mary.

Als die Mutter sie hochheben wollte, wurde Klein-Mary wach. Sie blickte sich suchend um.

"Wo ist Maclef?", fragte sie.

Alle blickten sie erstaunt an.

"Wer ist Maclef?, fragte Oma.

"Das ist doch der Riese, der nur in den Garten gehen wollte um Rüben zu holen."

Der Vater lachte. "Ach, Klein-Mary. Du bist hier eingeschlafen und hast geträumt."

Klein-Mary schüttelte den Kopf. "Nein. Ich habe wirklich den Riesen getroffen ..."

Die Mutter stieß den Vater an. Und dieser verstand.

"Aber natürlich. Komm. Zuhause kannst du uns mehr erzählen."

Klein-Mary lächelte und nickte. Und am Abend, vor dem Zubettegehen, bei Eis und blauen Beeren, ja, da erzählte Klein-Mary alles, was sie mit dem Riesen Maclef erlebt hatte. Und es wurde eine lange, lange Geschichte.


 
Tausendundzweite Nacht   -   © Manfred Schröder
Sultan Sheherban lag auf seinem mit weichen Kissen ausgestatteten Ruhebett und dachte nach. Tausendundeine Nacht hatte er Sheherazade verschont. Ihre Geschichten hatten ihr das Leben erhalten. Doch die letzten Märchen fand er langweilig, und er war auch ihrer überdrüssig.
Schon seit einiger Zeit hatte er auf den neuen schwarzen Sklaven ein Auge geworfen, der Sheherazade des Abends in sein Gemach führte. Und seine sinnliche Begierde, diesen dunklen und schlanken Körper in seinen Armen zu halten, wurde von Tag zu Tag größer.
"Nun", dachte er. "Noch eine Nacht. Morgen werde ich Sheherazade töten lassen."
Um die zehnte Abendstunde öffnete sich die Tür zu seinem Gemach und Sheherazade, begleitet von dem schwarzen Sklaven, der auf den Namen Ahmed hörte, trat ein. In seinen Händen trug er ein goldenes Tablett auf dem eine mit rot schimmerndem Wein gefüllte Karaffe und zwei Gläser standen.
Sultan Sheherban machte eine Handbewegung und Ahmed stellte das Tablett auf einen kleinen Tisch, der neben der Ruhestätte stand. Wie aus Versehen berührte der Sultan die sanfte und dunkle Haut des Sklaven. Dieser verbeugte sich und verließ rückwärts gehend den Raum.
Sheherazade nahm heiter lächelnd die Karaffe in die Hand und füllte die beiden Gläser. Sie reichte eines dem Sultan und sprach: "Der Segen Allahs sei mit bei dir!"
Sultan Sheherban war erstaunt ob dieser Worte. Doch er nickte gnädig und führte das Glas zu seinem Mund. Noch nie, glaubte er, solch einen herrlichen Wein getrunken zu haben.
Auch Sheherazade hob ihr Glas.
"Nun denn", sagte er, "erzähle deine Geschichte."
Er deutete mit seiner Hand neben sich und sie nahm an seiner Seite Platz.
Der Sultan trank zum zweiten Male und ein Schwindel bemächtigte sich seiner.
"Was ist mit mir?", sagte er.
Sheherazade lächelte. "Ruhe dich ein wenig aus, mein Gebieter. Du bist müde. Ein Engel wird dir die Tausenundzweite Nacht erzählen!"
Sultan Sheherban blickte sie erstaunt an. "Ein Engel?" konnte er nur noch hervorbringen. Dann fiel sein Kopf zur Seite.
*
Als er erwachte und die Augen öffnete, gewahrte er, dass er sich in einem großen Garten befand, der mit Palmen und Blumen bewachsen war. In der Mitte lag ein Teich, an dem ein Engel von unsagbarer Schönheit saß und ein großes Buch in seiner Hand hielt. Am Himmel erschienen die ersten Sterne.
Der Engel winkte ihn heran. "Komm, setz dich zu mir. Ich will dir die Tausendundzweite Nacht erzählen."
Der Sultan blickte verwundert. "Wo bin ich? Und die Tausendundzweite Nacht?"
Der Engel sah in freundlich an. "Du bist im Garten Allahs. Und hat Sheherazade dir nicht gesagt, dass ein Engel dir diese Geschichte erzählen wird?"
Einen Augenblick dachte der Sultan nach. Dann nickte er benommen.
*
Der Engel öffnete das Buch und begann zu lesen:
Die Tausendundzweite Nacht
Sie erzählt die Liebesgeschichte von Sheherazade und Ahmed dem schwarzen Sklaven
Als nun der Sultan gestorben war ...

 
Alfonso und der Kirschbaum
© Steffen Haselmaier

Alfonso, die Amsel, flatterte vergnügt durch die Lüfte. In Mitten einer großen Wiese entdeckte er einen schönen großen Kirschbaum, auf den er flink zuflog. Dort saß nun der schwarz gefiederte Vogel und genoss das Leben und den wunderschönen Tag. Ein laues Lüftchen brachte die grünen Blätter und die weißen Blüten leicht zum erzittern. Es schien als fürchtete sich der mächtige Baum vor dem zierlichen Vogel. Mit seinen tiefschwarzen und gelb umringten Augen genoss er den Anblick dieser Blütenpracht. Alfonso versuchte sich vorzustellen, wie aus jeder einzelnen Blüte eine wunderschöne, saftige und herzförmige rote Kirsche wird. Aus lauter Vorfreude auf die reifen Früchte begann er mit seinem leuchtend gelben Schnabel ein fröhliches Lied zu flöten, dann erhob er sich wieder in die Lüfte und flog mit flinken Flügelschlägen seines Weges.
Unterdessen wurden die Tage immer länger und länger. Die Sonne schritt stetig höher bei ihrer täglichen Wanderung über das Firmament und ihre Kraft wuchs von mal zu mal. Da kam Alfonso abermals angeflattert. Doch der Baum war nicht so verlassen wie zuvor. Auf einem dicken knorrigen Ast, mit zahlreichen grünen und unreifen Kirschen, hatte es sich eine andere Amsel gemütlich gemacht. Diese kostete die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Morgens förmlich aus.
Alfonso entdeckte den gefiederten Widersacher sofort. Wutentbrannt stürzte er sich auf ihn und wenn er nicht so schwarz wie Kohle wäre, wäre er bestimmt rot vor Zorn gewesen. "Das ist mein Baum!" schrie Alfonso schrill. "Hier hast du nichts zu suchen!". Aufgeregt und fast zur doppelten Größe aufgeplustert hüpfte der in Rage gekommene Vogel vor seinem Rivalen umher. "Der Baum ist doch groß genug für uns Beide" erwiderte dieser. "Das sind aber alles meine Kirschen" sagte Alfonso, "Wenn die reif sind werde ich sie alle ganz alleine essen!" Die Beiden stritten so heftig und so laut, dass die Federn flogen. Alfonso beharrte darauf alle Kirschen für sich zuhaben und duldete keinen Konkurrenten. Schließlich gab Alfonsos Kontrahent nach und suchte enttäuscht das Weite.
Mit vor Stolz geschwellter Brust saß Alfonso auf seinem Baum und war voller Vorfreude auf die reifen Kirschen.
Noch oft musste die Amsel ihren geliebten Baum vor Kirschräubern schützen. Doch er blieb immer der stolze Sieger.
Nun war die Zeit gekommen. Die Kirschen sind reif! Früh war Alfonso schon unterwegs um ja keine der köstlichen Kirschen einem anderen hungrigen Vogel abgeben zu müssen.
Von weitem erblickte er schon seinen geliebten Baum. Er konnte die reifen, prallen roten Früchte beinahe schon riechen.
Fast angekommen, sah er sie. Ihm standen alle Federn zu Berge und sein Magen fühlte sich an, als hätte er lauter Kirschsteine verschluckt. Menschen! Viele Menschen! Männer Frauen, Kinder und Erwachsene. Sie hatten eine große hölzerne Leiter, die bis in die Krone reichte, an den Baum gestellt und ernteten die reifen süßen Früchte. Alle lachten und waren fröhlich über diese herrliche leckere Pracht.
Alfonso schaute diesem Treiben nicht länger zu. Es war so furchtbar für ihn, es tat ihm sogar im Herzen weh. Enttäuscht und auch wütend erhob er sich in die Luft und war schnell vom Blau des Himmels verschwunden.

 
Sie ist halt anders
© Olympe Lully
Ein Mädchen geht von der Schule nach Hause. Sie ist dreizehn, nicht besonders hübsch, leicht dicklich. Freunde hat sie verhältnismäßig wenig. Feinde dafür umso mehr. ‚Sie ist halt anders' - sagen sie.
Der Kies knirscht unter ihren Füßen. Ihre Schritte sind plump und hastig. Sie war die erste, die aus dem Klassenzimmer gestürmt ist. Das Tschüss zu ihren Freundinnen war nur im vorbeigehen. Aber das kannte man schon. Sie will schnell weg, weg von der Schule, weg von den Jungs, weg von dem lauten Lachen, weg von der psychischen Gewalt, und vor allem weg von dem ‚Sie ist halt anders!'
Ihre Bemühungen waren vergebens, die Jungs mit ihrem lauten Lachen sind schon hinter ihr. Gleich beginnen erste Spott-Pfeile sie zu treffen. In ihren Jackentaschen ballt sie die Hände zu Fäusten. Es hilft nichts gegen die in ihr aufsteigende Panik. "Weg!", denkt sie, "nur weg von hier!" Aber es ist zwecklos. Die Jungs sind eh schneller.
Sie kennt die Jungs kaum. Sie kennt ihre Vornamen, ihre Klasse, ihren Status. Nachnamen sind ihr unbekannt. Die Jungs kennen das Mädchen auch nicht. Sie wissen, dass sie halt anders ist. Das genügt.
Schon kann sie es hören dieses widerliche Geräusch, dass entsteht, wenn jemand seine Rotze hochzieht. Die Jungs spucken und lachen und spucken und lachen. Ein altes Spiel. Ein lustiges Spiel. Ranzen 10 Punkte. Jacke 20. Kopf 50.
Ein Mann hastet an den Jugendlichen vorbei. Das Mädchen wirft ihm einen bittenden Blick zu. Bettelt um Hilfe. Doch da ist er schon vorbei. Er hat sie nicht gesehen. Nicht sie, nicht die Jungs und schon gar nicht ihren Blick.
Das Mädchen ist wütend. Es ist verzweifelt, aber vor allem hat es Angst. Sie könnte zu einem Lehrer oder zu ihren Eltern gehen - hat ihr eine Freundin geraten. Doch davor hatte das Mädchen noch mehr Angst. Es würde die Sache nur noch schlimmer machen.
Sie kann in sich die Tränen aufsteigen fühlen und Hass und unmenschliche Wut. Die Wut gibt Kraft. Die Wut gibt Mut.
Sie reißt ihren Ranzen von der Schulter und wirbelt den Ranzen wie eine Keule schwingend um die eigene Achse. Sie trifft alle drei Jungs. Sie schreien alle drei gleichzeitig erschrocken auf und brauchen eine Weile, bis sie begreifen, was geschehen ist.
Das Mädchen nutzt die Zeit und rennt davon. Ihren Ranzen hält sie immer noch wie eine Waffe in der Hand. Sie weint.
Die Jungs lachen und einer sagt: "Sie ist halt anders!"
 
Mutsch und der Schutzengel
© Angelika Lauhoff
"Ich bin aber schon groß, und die anderen Kinder dürfen auch vom Kindergarten allein nach Hause gehen!", stampfte die mittlerweile 5jährige Lea trotzig mit dem Fuß auf. "Ja, das mag ja sein, aber die müssen auch nicht alle über eine stark befahrene Straße gehen!", antwortete ihre Mutter geduldig."
"Ich kann aber die Ampel, das habe ich dir schon gezeigt", blieb die Kleine stur.
"Na, gut, ich werde auf der anderen Straßenseite auf dich warten. Aber hinbringen werde ich dich noch dürfen?", schmunzelte Fr. Trotzki. "Wenn es sein muss."
Lea war nicht begeistert. Schnell packte ihre Mutter die Tasche mit Butterbrot und etwas zu Trinken, half ihrer Tochter in den Anorak und schnappte sich ihre eigene Jacke. Auf dem Weg plapperte Lea munter von ihren gestrigen Erlebnissen und was sie für heute geplant hatten. An der Ampel blieb sie stehen, drückte den Knopf und wartete darauf, dass sich ein grünes Männchen zeigte, dann ging sie an der Hand der Mutter auf die andere Straßenseite.
"Siehst du, kein Problem ...!"
"Ja, ich weiß, dass du die Ampel kennst, aber es gibt auch Autofahrer ... .manchmal ... und dann fahren die einfach bei Rot drüber, also, was ich meine,
bitte sei trotzdem vorsichtig und schau rechts und links, bevor du gehst, auch wenn deine Ampel grün zeigt!"
"Aber das dürfen die doch nicht!", warf Lea ein. "Das stimmt, aber es kommt eben manchmal vor ... bitte, denk immer daran!"
"Ja, ja, bis nachher dann, aber du weißt ... auf der anderen Straßenseite warten!"
Nachdem die Mutter zu Hause angekommen war, rief sie im Kindergarten an und klärte mit Fr. Wuttke, der Erzieherin, die Sachlage, dass Lea allein losgehen durfte.
Der Vormittag verging recht schnell und bald wurde es Zeit für Fr. Trotzki zu gehen. Wie immer war sie etwa 10 Minuten zu früh an der verabredeten Stelle und so wartete sie leicht angespannt auf ihre Tochter. Schon ein paar Minuten später sah sie die ersten Mütter die kleineren Kinder abholen und dann kamen auch die größeren Kinder aus der Tür heraus.
Lea winkte und ging auf die Ampel zu. Ein Bus hielt links von ihr vor der roten Ampel, denn die Fußgängerampel schlug nach Leas Druck auf den Knopf sofort um. Lea ging an dem Bus vorbei, aber vergaß natürlich rechts und links zu schauen, das grüne Männchen machte sie einfach zu sicher. In diesem Moment sah Fr. Trotzki von rechts einen VW-Bus mit hoher Geschwindigkeit auf die rote Ampel zufahren. "Der wird doch nicht ...", dachte sie noch erschreckt und wollte Lea warnen, doch die ging weiter, dachte wohl, dass die Mutter ihr zuwinken würde und lächelte. Fr. Trotzki blieb fast das Herz stehen. In diesem Moment hupte der Busfahrer aus dem stehenden Bus und Lea blieb stehen und drehte sich zu ihm herum.
Der VW-Bus fuhr tatsächlich bei Rot über die Ampel. Fr. Trotzki machte vor Angst die Augen zu. Als sie sie wieder öffnete, war der Busfahrer aus seinem Bus gesprungen und hob Lea von der Strasse. Vor Schreck war Lea nämlich rückwärts zurückgestolpert und hatte sich beim Fallen das Knie aufgeschürft. Sie schnüffte ein wenig, aber weinte nicht. Ihre Mutter nahm sie aus den Armen des Busfahrers und drückte sie an sich. "Danke", sagte sie," ich weiß nicht, was ohne Sie passiert wäre." Der Busfahrer lächelte und sagte: "Ich sah ihn im Rückspiegel und Rufen hätte nichts gebracht, denn ich kannte ja ihren Namen nicht ... . und Kinder sind ja glücklicherweise so neugierig. Ich bin froh, dass die Sache so gut verlaufen ist, wer weiß, was sonst passiert wäre ... . Haben sie gesehen, von der gegenüber liegenden Straßenseite hat ein Wagen gedreht und ist hinter dem VW-Bus hergefahren, ich habe bereits über Funk die Polizei verständigt ... . na, ich würde dem sofort den Führerschein entziehen."
"Sagen Sie mir noch ihren Namen?", fragte Fr. Trotzki. "Bernd Trapis ... so ich muss leider!"
"Mutsch ... Mutsch!", meldete sich nun Lea, die sich soweit von ihrem Schreck erholt hatte, "sehen so Schutzengel aus?"
"Ja", erwiderte diese erleichtert, "so sehen Schutzengel aus!" und nahm sich vor Bernd Trapis jedes Jahr an diesem Datum eine Kleinigkeit als Dankeschön vorbei zu bringen.
 
Der kleine Mehlwurm Namenlos
© Nicole Ludwig

Es war einmal ein kleiner Mehlwurm, der wohnte mit vielen anderen Mehlwürmern in einem Küchenschrank zwischen ganz vielen anderen Lebensmitteln. Eines Tages machte der Mehlwurm sich auf den Weg, um seinen Freund Benno zu besuchen. Es war ein ganzes Stück zu laufen, denn Benno wohnte ganz am anderen Ende des Küchenschrankes. Namenlos lief los, vorbei an Schokostreuseln, Cornflakes und Vanillepuddingpulver und traf seine Schulkameradin Anke.
"Hallo Anke", sagte Namenlos, "wir haben uns ja ewig nicht gesehen. Wie geht es Dir?"
"Mir geht es gut", antwortete sie, "aber sag mir, wo willst Du denn hin?"
"Ich will auf die andere Seite des Küchenschrankes, um meinen Freund Benno zu besuchen. Leider muss ich jetzt auch weiter, sonst wird es zu spät für mich. Tschüß Anke!"
"Tschüß", sagte Anke und stutzte, "wie war noch Dein Name?"
"Namenlos, mein Name ist Namenlos."
"Namenlos, das ist doch gar kein Name", erwiderte Anke und ging lachend davon.
Nachdenklich ging Namenlos weiter und grübelte, warum Anke denn so gelacht hat. Na ja, er wollte sich den schönen Tag nicht verderben lassen und ging fröhlich pfeifend weiter.
Es dauerte noch eine Weile, und er kam endlich bei den Haferflocken an, in denen Benno wohnte. Er klingelte und ein viel jüngerer, kleiner Mehlwurm öffnete die Tür.
"Guten Tag", sagte Namenlos, "ich bin Namenlos und möchte zu Benno."
"Ha Ha Ha", lachte der kleine Mehlwurm, "N a m e n l o s! Was ist das denn für ein Name?" Der kleine Mehlwurm kringelte sich vor Lachen. Er bat Namenlos aber rein und sagte ihm, dass Benno im ersten Stock in seinem Zimmer sei.
Nun war Namenlos aber doch sehr traurig, weil alle immer über seinen Namen lachten. Er fing genau in dem Moment an zu weinen, als er Bennos Zimmer betrat. Als Benno Namenlos so traurig sah, fragte er ihn, warum er denn weine. Namenlos erzählte die Geschichte über Anke und den kleinen Mehlwurm. Benno hatte Mitleid mit seinem Freund und grübelte, wie er ihm denn helfen konnte. "Ich hab's!", rief Benno, "Wir suchen Dir einfach einen neuen Namen. Nicht weit von hier steht eine alte verlassene Buchstabensuppentüte. Sicherlich sind da noch ein paar Buchstaben drin, aus denen wir Dir einen tollen Namen basteln können." Die beiden Mehlwürmer machten sich auf den Weg, vorbei an Zucker, Mehl und den Gewürzen, aus denen es immer so gut roch, bis sie an der Buchstabensuppentüte ankamen. Die Tür in die Tüte war nur angelehnt und man konnte ungehindert eintreten.
Uff, hier sah es auch wie in einer Rumpelkammer. Überall auf dem Boden waren Buchstaben verteilt. Einige waren im Laufe der Zeit zerbrochen, andere aber waren noch heil. Benno und Namenlos sammelten die heilen ein und legten sie nebeneinander.
H E S T P N A
"HESTPNA!!! Hestphna soll ich heißen. Das ist nun wirklich kein richtig toller Name", rief Namenlos, "da ist Namenlos ja noch schöner."
"Du hast Recht. Das ist nun wirklich kein schöner Name", bestätigte Benno, "lass uns die Buchstaben neu zusammenlegen."
P E S T H A N
Nein, PESTHAN war auch kein schöner Name für Namenlos fand Benno. Also wurden die Buchstaben wieder neu zusammen gewürfelt.
S T E P H A N
"Das ist doch ein Supername", rief Benno, "von heute an heißt Du Stephan!!!"
Stephan, das war ein Name, der Namenlos ... äh Stephan gefiel. Er war total glücklich. Jetzt hatte er auch einen tollen Namen. Benno und Stephan liefen durch den ganzen Küchenschrank, um allen die freudige Nachricht mitzuteilen. Nun konnte keiner mehr den kleinen Mehlwurm auslachen.



 
Der Adler mit dem Sonnenkiesel
© Andreas Stich

Es lebte einmal ein Adler zusammen mit seiner lieben Adlerfrau auf seinem Horst. Das Haus war in Ordnung, die Brut recht und schlecht großgezogen und das Leben ging so seinen Gang.
Der Adler sorgte dafür, dass alle zu essen hatten, seine Frau hielt das Haus in der Reihe und man war es so zufrieden.
Einmal ergab es sich, dass die Adlerfrau zusammen mit dem Kind einen Besuch in der Ferne machen mussten, der sich nicht verschieben ließ.
Der Adler blieb zurück, denn einer musste ja auf den Horst aufpassen.
Nachdem er sich versichert hatte, dass alles in Ordnung sei, dachte er sich, man habe ja Zeit, ein bisschen im Jagdrevier herumzufliegen und nach dem Rechten zu sehn. So reckte er langsam seine schon etwas steifen Schwingen und erhob sich in die Lüfte. Dunkel erinnerte er sich, dass es außerhalb besagten Reviers noch etwas anderes gegeben hatte. Also lenkte er seinen Flug in die Richtung, in die er schon lang nicht mehr geflogen war.
Bald hatte er die Grenze seines ihm vertrauten Bereiches erlangt und äugte neugierig auf das Land, das dahinter lag, reckte nochmals seine Flügel zurecht und begann mit kräftigen Flügelschlägen, die eigene Angst vor dem Ungewissen zurücklassend, das vergessene Terrain zu erkunden.
Was gab es da alles zu sehn! Er überflog die Berge des Vertrauens, die Täler der Sehnsucht und erreichte sogar die blauen Wogen des Meeres der Hoffnung.
Lange kreiste er, immer mehr an Höhe gewinnend, über den Wäldern der Freundschaft.
Vereinzelt entdeckte er in diesen Wäldern auch kleine verborgene Lichtungen, über deren Sinn er sich nicht ganz klar war. Aber er dachte sich, einem Instinkt folgend: "diese Fleckchen sind so wunderschön, und ich bin bestimmt einer der wenigen, der sie je gesehen hat." So beschloss er, niemandem von der Existenz dieser Lichtungen zu erzählen.
Während er dahinsegelte, summte er eine selbsterdachte Melodie zu den Worten, die er einmal gelesen hatte:
Seitdem ich die Grenzen,
die man mir setzte,
nicht mehr anerkenne,
nicht mehr als Grenzen erlebe,
spüre ich erst
wie stark ich bin -
wie grenzenlos ich sein kann.
Als er so mit leichtem aber kräftigem Herzen und mit scharfem Blick sich eine dieser Lichtungen näher betrachtete, sah er unter den Gräsern der Niedergeschlagenheit etwas blinken und blitzen. Er setzte zum Sturzflug an, verwundert über seine eigene Flugkunst, die er längst verloren geglaubt hatte und landete punktgenau neben diesem Kleinod, das so schön in der Sonne der Erwartung funkelte.
Er betrachtete es eine Weile und fand heraus, dass es sich um einen kleinen Sonnenkiesel handelte.
Der Adler wusste nicht viel über Sonnenkiesel, nur, dass sie sehr, sehr selten waren. Ohne lange zu überlegen, heftete er sich den Sonnenkiesel vorne an sein Federkleid, um mit stolzgeschwellter Brust sich abermals in die Lüfte der freudigen Erregtheit zu schwingen. Was war das eine Freude, so ungezwungen und frei durch die Welt zu fliegen und dabei auch noch so etwas Wertvolles und Seltenes gefunden zu haben.
Er blickte zum Himmel und merkte, bei der herannahenden Dämmerung, dass er eigentlich schon viel zu lange unterwegs gewesen war. Ob seinem Horst auch nichts passiert war in der Zeit der Abwesendheit? So trat er schweren Herzens den Heimflug an, stellte fest, dass zu Hause alles wohlgeordnet war, so, wie er es verlassen hatte, und alles nahm seinen Gang und man war es so zufrieden.
Doch nachts träumte der Adler manchmal von seinem Ausflug in diese schöne, andere Welt und flog im Geiste die Strecke noch mal und noch mal und noch mal.
Und wenn er ganz alleine war, holte er, wohlbehütet unter seinem Federkleid, den kleinen Sonnenkiesel hervor, streichelte ihn ein wenig, erfreute sich an seinem klaren Leuchten, um ihn danach wieder vorsichtig zu verstauen, damit ihm nichts geschehe. 


 
Ilonas Sterne
© Manfred Schröder

-Und als das Kind am nächsten Morgen aufwachte, lagen kleine glänzende Sterne auf seiner Decke!- Die Mutter schloss das Buch und küsste ihrer kleinen Tochter Ilona auf die Stirne. -So, jetzt schlaf und träume schön!-
Ilona lächelte und nickte. -Ich möchte auch Sterne auf meiner Decke, wenn ich aufwache-, sagte sie noch, bevor sie die Augen schloss und ihr Köpfchen sich zur Seite legte. Ihren Harlekin hatte sie fest an sich gepresst.
Die Sichel des Mondes, in dem der Harlekin in seinem bunten Gewand saß, schwebte langsam vom diamantenbehangenen nächtlichen Himmel herab. Glitt durch das geöffnete Fenster und blieb vor dem Bett des Mädchens stehen. Der Harlekin zog aus seiner Tasche eine Flöte und nach dem ersten Ton, öffnete das Mädchen die Augen. Es lächelte.
-Ich habe auf dich gewartet.-
-Ich weiss-, sagte der Harlekin. -Komm!- Das Mädchen erhob sich und stieg in das Mondsichelboot. Es schwebte wieder zum Fenster hinaus; stieg höher und höher. Das Haus wurde kleiner; die Stadt, bis die ganze Erde nur noch ein winziger Punkt war.
-Wohin möchtest du heute-, fragte der Harlekin.
Das Mädchen brauchte nicht lange zu überlegen.
-Ich möchte Sterne pflücken!-
Der Harlekin lächelte. Als hätte er es gewusst.
-Ja, Sterne!-
Das Mondsichelboot stieg höher, und allmählich wurde es immer heller, bis alles um sie herum in strahlendem Glanze stand.
Der Harlekin steuerte das Boot zu einer Wiese, in dem die Sterne wie farbige Blumen standen.
-Komm-, sagte der Harlekin. -Hier gibt es soviel Sterne, wie du nur haben
möchtest.-
Sie betraten die Wiese und das Mädchen konnte sich nicht satt sehen, an all dieser farbigen Pracht. Doch dann bemerkte es, dass es nichts hatte, wohin man die Sterne hätte legen können. Ratlos schaute es zum Harlekin. Auch er überlegte einen Augenblick.
-Ich habe große Taschen in meinem Anzug. Dorthin können wir sie stecken!- Das Mädchen lächelte dankbar. Dann ging es umher und suchte sich die schönsten Sterne aus. Als die Taschen des Harlekins voll waren, gingen sie wieder zum Mondsichelboot und sie schwebten zur Erde zurück.
Das Mädchen legte sich wieder in sein Bettchen und sah wie der Harlekin alle die Sterne auf der Decke verteilte. Dann schloss es die Augen und träumte davon, wie erstaunt die Mutter am nächsten Morgen sein würde.
-Mamma, Mamma-, schalte die helle Stimme durchs Haus.
-Mamma, komm und schau!-
Die Mutter kam ins Zimmer gelaufen.
-Was ist Ilona?-
-Schau Mamma. Schau auf meine Decke. Siehst du die Sterne?- Die Mutter machte ein erstauntes und überraschtes Gesicht. Ja, da lagen fein und säuberlich, viele kleine, bunte Sternchen. Sie lächelte.
-Da ist dein Wunsch doch in Erfüllung gegangen!- Sie nahm Ilona in ihren Arm und drückte sie fest an sich. -So, jetzt werde ich dir deinen Lieblingsbrei kochen.-
Die Mutter verließ das Zimmer und Ilona begann mit leuchtenden Augen die Sterne zu zählen.
 
Die Suppe
© Manfred Schröder

In der offenen Verandatüre stand die Mutter und ließ ihre Blicke durch den Garten schweifen.
-Liisa!-
Sie wartete einen Augenblick und rief dann noch einmal laut, -Liisa. Komm. Sonst wird die Suppe kalt!-
Doch von Liisa war nichts zu hören und nichts zu sehen. Nur ein Vogel zwitscherte im Baum und die Katze schlich miauend ums Haus.
Ja, wo war denn Liisa?
Versteckt saß sie im Gebüsch und verhielt sich still. Still wie ein Mäuschen. Heute war Donnerstag. Und dann gab es Spinatsuppe. Nein; heute wollte sie das grüne Zeug nicht essen. Auf keinen Fall! So blieb sie denn sitzen und schaute durch die Zweige und Blätter, wie sich die Mutter noch einmal umschaute und dann ins Haus zurückging.
Da saß nun Liisa und überlegte. ´Wenn ich lange genug hier sitzen bleibe, wird Mutter die Suppe alleine essen. Sonst wird sie ja kalt! Und ich bekomme etwas anderes.´
Doch mit der Zeit wurde es langeilig im Gebüsch und sie verspürte Hunger.
Trotzdem blieb sie noch ein Weilchen auf ihren Platz, bis sie glaubte, dass jetzt der Topf leer war. Dann erhob sie sich, wischte sich die Erde von ihrem Kleidchen und ging durch den Garten auf das Haus zu.
Da stand ja schon die Mutter.
-Liisa, Kleines. Wo warst du denn? Habe dich gerufen. Doch du warst nirgends zu sehen. Ja, und nun gibt es keine Suppe mehr für dich!-
Begannen da nicht Liisas Augen zu strahlen? Keine Suppe mehr!? Trotzdem zog sie ein Schmollmündchen, um zu zeigen, dass sie enttäuscht war.
-Gibt es wirklich nichts mehr, Mamma? Keine Suppe mehr?-
Die Mutter schüttelte den Kopf. -Nein Liisa. Keine Suppe mehr. Ich habe sie alleine gegessen, die Erbsensuppe! Sonst wäre sie ja kalt geworden.-
Liisas Augen wurden ganz groß. Erbsensuppe! Das war doch ihre Lieblingsspeise. Mit allen den Wurststückchen darin! Aber heute war Donnerstag. Da gab es doch immer Spinat! Jetzt wurde es ein richtiges Schmollmündchen und in ihren Augen bildeten sich kleine Tränlein.
-Gibt es wirklich keine Suppe mehr-? fragte sie zaghaft.
Die Mutter lächelte.
-Na, ich kann ja noch mal nachschauen. Vielleicht ist doch etwas übrig geblieben.-
Sie ging in die Küche und kam mit einem Topf zurück.
-Schau, Liisa. Da gibt es doch noch etwas. Vielleicht wird der Teller noch ganz voll!-
Liisas Schmollmündchen verschwand und ein Lächeln breitete sich bis zu ihren Pausbäckchen aus.
Ja, Der Teller füllte sich bis zum Rand. Noch nie hatte eine Suppe Liisa so gut geschmeckt!
 
Auch Gespenster haben Angst
© Martina Schallauer

Viele werden sich fragen, wenn sie diesen Titel lesen, wovor haben Gespenster denn Angst. Aber ich kenne hier eine Geschichte, die ich sogleich erzählen möchte:
Ich lebte vor vielen Jahren in einem alten Schloss in England, welches nicht sehr weit von meiner Zahnarztpraxis entfernt war. Meine Arbeit machte mir Spaß und auch abends konnte ich in Ruhe zu Hause entspannen. Es gab keinerlei aufregende Situationen, bis auf einmal.
Da wusste ich wirklich nicht was los war. Die ganze Nacht und auch die darauf folgenden hörte ich schreckliches Gewimmer, doch ich sah niemanden. Dies wurde schon so unerträglich, sodass ich mich entschloss den Grund für diese Unruhen herauszufinden.
Doch dafür musste ich jemanden finden, der mir half.
So gab ich ein Inserat auf, dass ich jemanden in Untermiete nehmen würde. Mein Schloss hatte ja genug Zimmer. Als sich Rosalia meldete, wusste ich, dass sie auf meiner Wellenlänge war. Sie war nämlich sehr interessiert an alten Geistergeschichten und all das Zeug, was sie zum Einziehen mitbrachte….
Und so geschah es bereits am ersten Abend, dass wir beide beim Lesen diese Geräusche wahr nahmen…..Rosalia überredete mich nun, diesen Poltergeist zu fangen. Aber wie kann das funktionieren, wenn man es nicht sehen kann? Daraufhin besorgten wir uns noch einige Bücher über die Gespensterjagd und probierten die beschriebenen Tipps entsprechend aus. Zwar klappte es nicht auf Anhieb, aber mit der alten Decke und Wasserfarbe, die wir als wir das Gespenst gefangen hatten darüber gossen, sahen wir wirklich ein kleines Männchen. Dieses hatte eine ziemlich geschwollene rechte Backe. Da wusste ich es - es hatte Zahnweh; daher auch dieses Gewimmer. Gemeinsam begannen Rosalia und ich auf das Männchen einzureden und es verstand uns sogar. Es war zwar viel Zeichensprache, doch zu guter letzt war es sogar bereit mit uns mitzugehen. Wir führten es in die Zahnarztpraxis, wo ich es behandeln konnte. Au - weia, waren das Beißerchen, doch leider schon ziemlich abgenutzt und schlecht. Also gingen wir gut 2 Wochen lang jeden Tag auf Gespensterjagd. Nach diesen sehr aufregenden Tagen herrschte dann Ruhe in meinem Schloss. Das Männchen hatte kein Zahnweh mehr und musste daher auch nicht mehr wimmern, anders konnten Rosalia und ich sich das nicht erklären. Und auch einige Wochen später stand eine sprechende Katze vor mir, die sich bei mir bedankte, dass sie in Ruhe wieder Mäuse fangen kann. Das Männchen habe die Mäuse immer verjagt.
Nun weiß ich wirklich, dass Gespenster vor Zahnärzten Angst haben ….daher sind sie so ruhig . wie denkt ihr?





Die Geschichte vom kleinen Schneemann


© Detlef Scheibel





Es war einmal ein kleiner Schneemann, der bei einer sehr netten Familie lebte.


Er lebte dort schon viele Jahre, doch als Schneemann wohnte er zur warmen Jahreszeit immer in einer großen gemütlichen Kiste mit vielen anderen Schneemännern zusammen.


Doch als dann die Winterzeit immer näher kam, wurde er schon immer munterer während die anderen noch schliefen.

Er konnte er konnte es kaum erwarten bis der erste Schnee fällt und sah jeden morgen über den Rand der Kiste.

Eines Morgens als er noch halb schlief, stieg er auf den Rand verlor sein Gleichgewicht und fiel vom Rand hinunter auf das Regal, in dem die ganzen Kisten standen.

Es war sehr früh am Morgen und deshalb bemerkte es auch niemand.

Mit aller Kraft versuchte er, wieder in die Kiste zu gelangen, aber es war vergebens so sehr er sich auch bemühte, sie war einfach viel zu hoch.

Mit seiner leisen piepsigen Stimme versuchte er jemanden zu rufen, doch so sehr er sich anstrengte, es hörte ihn niemand.

Seine Kräfte schwanden immer mehr und mehr seine Stimme wurde heiser, dann plötzlich kam eine Antwort.

Als er nach oben zu der Kiste sah, war aber niemand zu sehen. Meine Gedanken spielen mir schon einen Streich, dachte er und wurde sehr, sehr traurig, Kleine Kullertränen rollten ihm langsam aus seinen Augen.

Doch plötzlich, als er nicht mehr weiter wusste, sich verloren und allein fühlte, hörte er wieder diese Stimme, die jedoch nicht aus der Kiste kamen sondern sie kam von hinten.

Mit etwas Angst aber auch Hoffnung drehte er sich langsam um.

Dann sah er mir Erstaunen, dass es die Frau der Familie war, bei der er lebte, sie lächelte freundlich und sprach. Na da will wohl jemand nicht mehr warten. Oder?

Aber der kleine Schneemann flüsterte, bitte hilf mir ich möchte wieder zu den anderen und mit ihnen warten bis es schneit.

Die Frau legte ihre Hand vor den kleinen Schneemann, so dass er raufsteigen konnte, hielt sich am Daumen fest, als er in die Kiste zurückgehoben wurde.

Als er dann endlich wieder bei seine Freunden war, war er überglücklich, kuschelte sich gleich wieder unter seine Decke, wischte seine letzte Träne weg, die dieses Mal eine Freudenträne war, winkte der netten Frau noch einmal zu, die ihrerseits ebenfalls eine Freudenträne aus ihren Augen wischte.

Sie lächelten und winkten sich zum Abschied noch einmal zu, dann schlief der kleine Schneemann schnell müde ein und wartet bis der Schnee kommt.






 
Der Wassertropfen
© Regina Kaute

Es war einmal ein Wassertropfen. Dicht mit vielen anderen bildete er eine Wolke, die sich sacht im Winde bewegte.
"Ach", dachte er auf die Erde schauend, "alles ist so trocken und wir sitzen hier oben und warten darauf, auf das Land zu fallen, um Nässe und Feuchtigkeit zu geben. Dann werden wir von der Erde aufgesogen und unser Leben hat vorerst ein Ende, bis uns die Sonne wieder empor zieht und wir uns erneut in einer Wolke zusammen finden. Nein, ich Wassertropfen möchte etwas ganz Besonderes … einen kleinen See bilden mit vielen anderen meiner Freunde, wo sich Fische und Frösche tummeln und wir spielend Wellen bilden, bis uns die Sonne wieder zu sich holt. Ja, das wäre schön …" So träumte der kleine Wassertropfen vor sich hin und wurde durch das Drängeln der Anderen wieder in die Realität zurückgeholt.
Ein Kichern, Schnattern und die Musterung der Neuankömmlinge ließen die Zeit der Gedanken vorerst vergessen. Die Wolke wurde sichtlich größer und schaute man nach links und rechts, gab es viele "Nachbarn", die sich durch den Wind langsam zu einer großen dunklen Himmelswand zusammenschlossen.
"Das würde für einen See reichen", dachte der kleine Wassertropfen und überlegte.
Plötzlich funkelte sein Nass schelmisch, als er fest und unbeirrbar sprach: "Lasst mich mal durch, ich will zum Himmelsgott". Drängelte sich weiter nach vorn schiebend und entfachte so die Neugier der Anderen.
"Was willst du beim Himmelsgott?", fragten sie ihn neugierig langsam umringend und gespannt auf ihn schauend, hörten sie seine Idee …
"Stellt Euch vor - wir vereint in einem See, wo Grillen zirpen, Wasserkäfer unsere Wellen kitzeln, Fische schwimmen … und … und … und …
Dabei glänzte er vor Begeisterung, strahlte Zuversicht aus und schwappte als etwas Wunderbares auf die Anderen über, so dass sie alle mit ihm diesen See bilden wollten.
"Auf zum Himmelsgott!" - aber wo sollten sie suchen??? Keiner hatte ihn je gesehen. Aufgeregt, dicht aneinandergedrängt und immer mehr Zuwanderer findend verdunkelte sich der Himmel, die Luft wirbelte und der Wind entfachte sich zum Sturm.
Wolkenmassen prallten aufeinander, es blitzte und wie ein Reißverschluss öffnete sich das Wolkenband und ließ die Wassertropfen sinnflutartig fallen. Es waren so viele, das die Erde diese Nässe nicht so schnell aufsaugen konnte. So sammelte es sich in einer Mulde, einen kleinen Teich entstehend lassen. Auch unser Wassertropfen war ein Teil dieses Sees.
Als sich später die Sonne im Wasser spiegelte und Frösche quakend und glücklich in das Nass sprangen, sah man eine kleine Welle der Freude, die sich schäumend am Ufer verlor.



 
Tom, der Eskimojunge
© Astrid Krämer

Nicht weit vom Nordpol entfernt, gibt es ein kleines Dorf. Hier lebt Tom mit seinen Eltern und seinen Freunden.
Es ist ein sehr kleines Dorf und alle Hütten sind aus Schnee und Eis gebaut. Wenn sich die Schneekristalle im Sonnenlicht spiegeln, könnte man meinen, es handelt sich um den Palast der Schneekönigin.
Es sah aus, als sei die Zeit hier stehen geblieben. Anstatt Autos gibt es Schlitten, welche von vielen Hunden gezogen werden und nur einmal im Monat landet ein kleines Flugzeug um die Einwohner mit frischen Lebensmitteln zu versorgen.
Die Männer des Dorfes gehen auf die Jagd und die Frauen kümmern sich um den Haushalt. Selbst die Kinder lernen von Klein an, wie man Iglus baut und mit Hundeschlitten umgeht.
Eines von ihnen ist Tom. Er ist allerdings ein sehr vorlauter kleiner Junge, der immer alles besser weiß.
Es vergeht kein Tag, ohne dass Tom mal nichts anstellt. Er und seine beiden Freunde Kai und Michel hatten den anderen Dorfbewohnern schon so manchen Streich gespielt.
Eines Tages nun kamen Fremde in das Dorf und unter ihnen war ein kleines Mädchen, namens Elisa. Elisa war ein sehr liebes Mädchen und im Umgang mit Tieren konnte sie allen noch was vormachen.
Die Kleine besaß ein eigenes Rentier worauf sie ganz besonders stolz war. Für was brauchst du denn ein Rentier?, fragte Tom etwas ärgerlich.
Er ist mein bester Freund und ich kann mich immer auf ihn verlassen, antwortete das Mädchen. Wie kann man nur ein Rentier zum Freund haben?
Und was kann denn dein Rentier? Ich wette es kann nicht mal einen Schlitten ziehen, entgegnete Tom spöttisch.
Michel hatte gleich eine Idee. Wie wär's denn mit einem Wettrennen?
Nun gut sagten die Jungen, wir fahren mit unseren Hundeschlitten bis vor zur ''Eisschmelze'' und wieder zurück. Was sagst du dazu Elisa?
Bis zur Eisschmelze?, fragte Elisa .Na, kneifst du jetzt schon entgegnete Tom. Selbstverständlich nicht, aber um diese Jahreszeit ist so etwas sehr gefährlich. Das Eis könnte brechen und dich ins offene Meer hinaustragen.
So ein Quatsch, meinte Tom! Elisa versuchte es den drei Jungs auszureden, aber leider vergebens.
Sie spotteten nur und machten sich über Elisa lustig. Dann fahren wir eben ohne dich, war die Antwort und machten sich gleich auf den Weg.
Es dauerte nicht lange, da fuhren Kai und Michel wie vom Blitz getroffen wieder ins Dorf zurück. Elisa rief den beiden zu: Wo ist denn Tom?
Der kommt später riefen die beiden und fuhren weiter. Hier musste etwas passiert sein, dachte sie und machte sich sofort mit ihrem Rentier auf den Weg zur ''Eisschmelze''.
Sie sah schon von weitem, dass ein großer Eisberg eingestürzt war und Tom hilfeschreiend auf einer Eisscholle saß. Das Mädchen überlegte nicht lange und sprang mit ihrem Rentier auf die ins Meer treibende Eisscholle.
Sie nahm Toms Hand und half ihm auf den Rücken des Tieres so gelangen beide Kinder wieder heil zum Ufer. Als sich Tom von seinem Schreck erholt hatte, bedankte er sich bei Elisa.
Jetzt weiß ich was es heißt einen echten Freund zu haben, meinte er und von nun an waren Tom, Elisa und das Rentier unzertrennlich.


 
Die große Pause
© Aya Al Bayati

Wieder mal ein langweiliger Tag, an dem jeder schlafen kann, so als würde der Lehrer die Wand unterrichten. Für mich auch, aber nicht so arg, weil ich mich auf die Pause des Jahres, die 2 Stunden dauert, freue.
Der Lehrer sprach: "Was ist ein rechter Winkel? Alle die sich melden, dürfen 30 Minuten länger in die Pause!"
Ich meldete mich und sagte: "Äh ein richtiger Winkel ..."
Der Lehrer unterbrach: "Ein rechter Winkel ja weiter ..."
Ja ein rechter Winkel genau ist ein ähm, ein 90-Grad-Winkel?" antwortete ich.
Der Lehrer staunte: "Dass du Jennifer so gut arbeiten kannst, spitze! Das gibt einen Stern auf meiner Liste. Alle anderen die sich meldeten dürfen auch 30 Minuten länger in die Pause, das sind: Pascal, Sabrina, Nina, Yasemin, Nilay, Selina und noch Lukas."
Die Pause begann nach 40 Minuten. Ich und Nina spielten Ecke, Ecke. Plötzlich entdeckte ich ein Loch, ich war so neugierig, dass ich Nina bat, dort reinzugehen! Wir holten Taschenlampen vom Lehrer, ohne ihm zu sagen, wieso, es war geheim. Nun, wir gingen als erstes durch einen Tunnel, dann durch ein anderes Loch, schließlich durch ein anderes Loch und noch durch die Glastür rein. Da sahen wir eine Treppe, auf der wir steigen mussten, um weiterzukommen. Wir fielen runter, da die Treppe sehr alt und undicht war. Doch Gott sei Dank hielten wir uns an einem Ast fest und dann kletterten wir erleichtert wieder hoch. Wir sahen plötzlich so viele Läden, alles umsonst, die Verkäufer waren Zwerge, wie die Käufer und allen anderen Bewohner des Loches. Wir fragten, wie dieses Loch hieß, Carla III antworte: "Das Schalkloch. Aber wenn ihr von unserem Essen esst, verwandelt ihr euch in Zwerge und kommt nie wieder raus! Ein Tipp: Hier sind nur Läden, geht ins Elfenreich, dort ist eine Wiese und alles andere Schöne!" "Wo genau?" fragte Nina. "Gleich rechts nebenan!" antwortete Carla III. Wir fragten uns, wieso es so schlimm war, ein Zwerg zu sein. Sie meinte, dass es nicht schlimm ist, doch Carla III dachte, wir wollen es nicht sein, stimmt auch. Wir gingen zum Elfenreich nebenan. Dort war eine grasgrüne Wiese mit Blumen und Elfen, die uns Wünsche erfüllten. Wir blieben dort eine Stunde und ließen uns verwöhnen, bei Carla III auch eine Stunde. Danach gingen wir raus aus dem Elfenreich und wollten zurück. Da gingen wir bei der inzwischen kaputte Treppe und sprangen aus Neugier runter, doch bevor wie hinfielen, ließ uns die Luft runterhoppeln, ohne uns wehzutun. Da war ein Kobold und sagte: "Willkommen beim Kobold Denny!" "Ja, hallo!" antwortete Nina mutig. Ich fragte: "Was machen sie hier unten und was ist das hier?" "Eine Falschgeldmachhölle, keine Angst, ich bin nett, Falschgeld mache ich, damit Leute, die geärgert werden, reinlegen können, dass es ihr Essensgeld ist, damit sie Ärger bekommen." sprach Denny. Wir vertrauten ihm. Aber wir brauchten kein Falschgeld, doch wir fragten, wie man wieder hochkommt, er meinte: "Einfach nur bis zum Felsen laufen, da geht ihr von selber hoppelnd durch die Luft wieder hoch, so wie ihr hier runtergekommen seid. Wiedersehen" Wir winkten ihm mit einem zwinkernden Auge. Da bemerkte Nina, dass wir zu spät sind, wir rannten schnell raus aus dem Loch.
Die Pause dauerte ja 2 Stunden, aber das waren bei uns 2 Stunden und 20 Minuten! Wir dachten, dass wir Ärger bekommen, doch da sprach ich erleichtert: "Wir dürfen ja 30 Minuten länger bleiben. Hahahaha!" Da atmeten wir noch mal durch und setzten unser Spiel Ecke, Ecke 10 Minuten fort und gingen anschließend ins Klassenzimmer.
Da kam eine Durchsage: "Alle Klassen haben um 11:15 Schule aus!"
Alle schrien, ich und Nina auch. Wir packten alles zusammen und gingen nach Hause.



 
Die goldene Taube
© Martin Tonini

Es war einmal ein Bauer, der lebte mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern auf einem schönen Bauernhof. Er besaß große Ackerflächen und viel Vieh. Die Töchter wurden groß, heirateten und verließen den Hof, um bei ihren Männern zu leben. Schon bald merkte der Bauer und seine Frau, dass die Arbeit auf dem Hof allein nicht zu schaffen ist und sie suchten nach einem Knecht.
Eines Tages klopfte ein Knabe an die Tür, der einen Stecken über der Schulter trug, an dessen Ende ein Bündel war. Der Knabe, er hieß Franz, hatte seine Familie vor einigen Jahren verloren und ist seitdem auf der Suche nach Arbeit um sich sein Brot zu verdienen. Als Franz in die strengen Augen des Bauern blickte, brachte er vor Furcht kein Wort heraus. "Was willst Du", fragte der Bauer mit grimmiger Stimme. Franz räusperte sich und fragte: "Bauer, hast Du vielleicht Arbeit für mich?".
Einen kleinen Moment flackerten die Augen des Bauern und er sagte mit sanfterer Stimme zu Franz: "Du kommst mir gerade recht, sei willkommen".
Und so ist Franz zu seiner Arbeit gekommen und der Bauer zu seinem Knecht.
Franz bekam eine Unterkunft in einem kleinen Häuschen neben dem Bauernhof. Dorthin brachte ihm die Bäuerin auch das Essen. Und immer, wenn Franz allein an seinem Tisch saß und seine Suppe verzehrte, dachte er an den Bauern und die Bäuerin, wie sie in ihrer Küche saßen und sich unterhielten.
Der Bauer beobachtete Franz bei seinen Arbeiten. Er wurde fröhlich und sein Herz hüpfte vor Freude, wenn Franz während der Arbeit mit seiner schönen Stimme sang. Dies erinnerte ihn an seine Töchter, die auch so schön gesungen hatten. Auch seine freundliche Art und sein ehrliches Wesen mochte der Bauer sehr.
Franz arbeitete jeden Tag, das ganze Jahr. Im Frühling musste er sähen, im Sommer mähen, im Herbst den Acker pflegen und im Winter die Kühe hegen.
Eines Tages aber, Franz wusste selbst nicht, wie ihm geschah, wollte ihm nichts mehr gelingen. Das, was er im Frühling gesät hatte, wuchs im Sommer nicht. Was er im Herbst pflegte, wollte nicht gelingen. Und im Winter starb sogar eine Kuh.
Der Bauer ärgerte sich fürchterlich und verjagte Franz. "Geh, lass Dich hier nie mehr blicken!". Als der Knecht fort war, fragte die Bäuerin den
Bauern: "War das jetzt wirklich nötig?". Der Bauer aber schwieg, ihm tat das alles leid. Und im selben Moment wurde dem Bauern klar, dass Franz ihm fehlte.
Franz war sehr traurig. Als er am Wegrand auf einem Stein saß, und überlegte, wie es weitergehen sollte, kam plötzlich ein kleines Männchen und fragte. "Franz, warum bist Du so traurig?". Ganz erstaunt sah Franz zu dem Männchen und sagte: "Du kennst meinen Namen?". Das Männchen aber lächelte nur. "Ach," sagte Franz "ich hatte endlich Arbeit und ein Dach über dem Kopf, aber mir wollte einfach nichts mehr gelingen! Deswegen hat mich der Bauer fortgejagt!". Das Männchen schwieg eine Weile und sagte dann:" Weißt Du Franz, das ist die Macht der Einsamkeit. Der Bauer ist einsam, weil seine Töchter nicht mehr auf dem Hof sind und Du, weil Du dort ganz alleine warst."
"Aber ich habe hier etwas für Dich, weil Du Dich immer bemüht hattest."
sagte das Männchen und zog eine goldene Taube aus seiner Tasche. "Mach Deine Augen zu, berühre die Wunschtaube und wünsche Dir, was in Deinem Herzen steht!". Franz tat, was das Männchen gesagt hatte und wünschte sich nichts inniger, als wieder eine Familie zu haben und dass der Bauer wieder glücklich werde. Als Franz seine Augen wieder öffnete, war das Männchen fort. Aber eine leise Stimme sagte zu ihm: "Geh, Franz! Kehr um und geh wieder zum Bauernhof, der Bauer ist nicht schlecht, wirst sehen, geh!".
Franz war ganz verwundert, aber er kehrte um und ging wieder zurück zum Bauernhof. Als er dort ankam, wartete der Bauer schon mit offenen Armen, drückte ihn ganz fest und tanzte vor Freude im Kreis. Auch die Frau des Bauern, die Töchter mit ihren Männern kamen aus dem Hause gelaufen und alle waren glücklich. Seither wurde Franz nicht mehr wie ein Knecht, sondern wie ein Sohn des Bauern behandelt. Er hatte endlich wieder eine Familie. Der Bauer, ja der Bauer war nicht mehr grimmig und schlecht gelaunt ... Er hatte seine Töchter wieder gesehen und er war glücklich, dass Franz zurückgekommen ist. Sie lebten seitdem in Glück und Frieden auf dem Hof.
Aber das Männchen, das Männchen hat niemand von ihnen mehr gesehen ...

 
Die kleine Feldmaus leuchtet in der Nacht
Es war ein herrlicher, lauer Sommertag. Die kleine Feldmaus und ihre Freunde spielten den ganzen Tag auf dem Feld beim Weiher. Sie spielten Fangen, Verstecken und rannten um die Wette.
Nach dem Abendbrot trafen sich die Freunde bei Familie Igel. Sie hatten vor, Laternen zu basteln. Aus diversen Vorlagen suchte sich jeder eine aus und dann fing das große Ausschneiden an. Schneidegeräusche erfüllten die Terrasse. Aber einige Minuten später wurde es wieder ruhiger. Jetzt waren Falten und Kleben angesagt. Jeder hatte sich eine andere Laternenform ausgesucht.
Die Laterne vom Igel war quadratisch und sah wie ein länglicher Würfel aus. Der Frosch hatte sich eine sechseckige ausgesucht. Das Schweinchen findet rund gut. Deswegen wurde seine Laterne wie eine Nackenrolle länglich und rund. Die kleine Feldmaus hatte sich eine aus Dreiecken ausgesucht. Sie sah wie ein Diamant aus. Das lag aber auch an den bunten Fenstern, die die Freunde aus farbenfrohem Pergamentpapier bastelten. Zum Schluß setzte jeder ein Teelicht in die Mitte seiner Laterne.
Mit einer Schnur wurde jede Laterne an einem Stöckchen angebracht, so daß man die Laternen vor sich her tragen konnte. Als sie mit Basteln fertig waren, stellten sich alle nebeneinander hin. Mit ihren Laternen in Händen wurden sie von Frau Igel fotografiert. „Unsere Laternen sehen gut aus.“ sagte die Feldmaus. „Ja, finde ich auch. Besser als letztes Jahr.“ erwiderte das Schweinchen. Aber die kleine Feldmaus sah irgendwie unzufrieden aus.
„Was ist los? Du bist nicht zufrieden?“ fragte der kleine Frosch. „Geht so. Laternen haben wir jedes Jahr.“ „Ja klaro. Für den Laternenumzug brauchen wir nun mal Laternen.“ „Aber das ist irgendwie immer gleich.“ „Feldmaus! Wie soll es denn anders sein?“ fragte das Schweinchen. Aber die Feldmaus wußte es noch nicht so richtig. Der Lampionumzug war ja erst in zwei Tagen. Also noch genug Zeit zum Grübeln.
Zwei Tage später trafen sich die Freunde wieder bei Familie Igel, um die Vorbereitungen für den Umzug zu organisieren. Auch die Feldmaus sah nun wieder zufriedener aus. Was führte sie nur im Schilde? Sie machten die Teelichter an und stellten sie in ihre Laternen. Nur die Feldmaus hatte ihr Teelicht herausgenommen. Sie hatte ein elektrisches Licht mitgebracht, das an einer Stange mit Batterie und Schalter hing.
Dann wollten sie einen Testlauf starten. Die Freunde gingen nach draußen und stellten sich im Kreis auf. Die drei Teelicht-Laternen leuchteten schön bunt. Nur die Feldmaus hatte ihre Glühbirne noch nicht eingeschaltet. „Was ist? Mach dein Licht auch an.“ forderte das Schweinchen. Doch als die Feldmaus ihr Licht anschaltete, leuchtete nicht ihre Laterne, sondern die Feldmaus.
„Ohhh!“ staunten die Freunde. Wie machte die Feldmaus das bloß? „Wieso leuchtest du“ fragte der Frosch. „Genau! Und wieso leuchtet deine Laterne nicht?“ hakte der Igel nach. „Die Glühbirne ist keine normale Glühbirne. Sondern es handelt sich um eine Schwarzlicht-Glühbirne. Deswegen leuchtet meine Laterne nicht. Und auf meine Wangen und Arme habe ich schon zuhause mit Leuchtcreme Muster gemalt. Und die Creme leuchtet bei Schwarzlicht.“ Die Freunde waren beeindruckt. Das wollten sie auch haben.
Die Feldmaus hatte die Leuchtcreme mitgebracht. Vier verschiedene Sorten, die in gelb, rot, blau und grün leuchteten. Die Freunde cremten sich im Gesicht und auf den Armen mit den Cremes ein. Sie malten Herzchen, Streifen, Tiere und sogar Buchstaben auf ihre Arme und ins Gesicht. Als sie fertig waren mit Eincremen, gingen sie erneut nach draußen und stellten sich in einem Kreis auf.
Als die Feldmaus ihr Lämpchen anknipste, leuchteten die Freunde ganz kunterbunt im Gesicht und an den Armen. Toll sah das aus. Die Laternen leuchteten aber auch. Denn alle vier hatten auch ihre Teelichter in den Laternen angezündet. Die Feldmaus grinste zufrieden. DAS war anders als jedes Jahr.
Stolz trugen die Freunde an diesem Abend ihre Laternen von Haus zu Haus. Sie sangen laut und bekamen Süßigkeiten. Sie hatten sogar den Eindruck, daß es mehr Süßigkeiten waren als sonst. Vielleicht lag das an ihrer bunten Beleuchtung.
Geschichte von Torsten Kühnert
Zurück zu Wolke
© Delia Kössler

Es war einmal ein kleiner Wassertropfen, genauer gesagt ein Wassertropfen-Mädchen, namens Aquarina. Ihr Zuhause war die Wolke Siebenundzwanzig. Jeden Tag schaute Aquarina sehnsüchtig von oben auf die Erde hinab. Sie war noch nicht groß genug, um als Regentropfen zur Erde zu reisen. Doch eines Tages passierte es. Viele ihrer älteren Geschwister und Freunde waren gerade als prasselnder Regen zur Erde unterwegs, während Aqarina wieder einmal von ihrer Wolke aus zuschauen musste. Da zwängte sich plötzlich die Sonne durch die dichten Wolken hervor und zauberte direkt von ihrer Wolke aus einen bunt schillernden Regenbogen, der hinunter bis zur Erde reichte. Neugierig bewegte sich Aquarina auf die farbenprächtige Regenbogenbrücke zu. Doch kaum hatte sie sie berührt, da rutschte sie auch schon aus und mit immer schneller werdender Geschwindigkeit ging es auf der Regenbogenrutsche hinab in die ungewisse Tiefe. Aquarina konnte gerade noch einen Schrei ausstoßen, bevor sie ohnmächtig wurde. Als sie wieder zu sich kam, fand sie sich hinter einer glatten undurchdringlichen, aber durchsichtigen Wand wieder. Durch das gläserne Gefäß konnte sie erkennen, dass die Sonne längst alle Spuren ihrer Geschwister und Freunde beseitigt hatte. Alles war wieder trocken. Die Regentropfen waren längst verdunstet, stiegen schon wieder zum Himmel hinauf oder waren bereits wieder zu Hause. Einige von ihnen hatten sich aber auch auf eine abenteuerliche Reise in die Erde begeben. Nur sie saß hier fest, gefangen in einem gläsernen Käfig, aus dem es kein Entrinnen gab, denn er war auch oben verschlossen. Aquarina wurde ganz traurig. Sie konnte weder nach Hause zurück noch würde sie einer Pflanze den Durst stillen können. In ihrer Trauer sackte sie völlig in sich zusammen und war nun kein wohlgeformter schöner Wassertropfen mehr, sondern lag als zerplatzte, winzige Pfütze am Boden des Glases. Plötzlich tauchten draußen dunkle Schatten auf, die sich um das gläserne Gefäß legten und Aquarina die Sicht nahmen. "Oh, du bist ja gar kein schöner, schillernder Wassertropfen mehr, du bist ja nur noch ein Wasserspritzer." Ein kleines Mädchen hielt das Glas in den Händen und betrachtete Aquarina von allen Seiten. Sofort richtete sich Aquarina auf. Soviel Stolz hatte sie noch, dass sie sich so etwas nicht sagen lassen wollte. "Ich bin Aquarina von Wolke siebenundzwanzig!", stellte sie sich vor. "Warum hältst du mich hier gefangen? Ich möchte zurück nach Hause. Ich bin noch zu klein für die Abenteuer hier auf der Erde. Bitte lass mich frei!" "Du sprichst?", staunte das Mädchen mit weit aufgerissenen Augen. Als es sich gefangen hatte, sagte es: "Ich heiße Alina und habe dich nach dem Regen an meiner Fensterscheibe gefunden. Einen so schönen regenbogenfarben leuchtenden Wassertropfen habe ich noch nie gesehen, deshalb habe ich dich in dieses Glas gesetzt, damit du nicht verdunstest und ich dich immer wieder anschauen kann. Aber ich wollte bestimmt nicht, dass du so traurig bist. Wie kann ich dir helfen?" "Öffne einfach den Deckel des Glases und stelle mich in die Sonne. Dann finde ich den Weg nach Hause allein und vielen Dank." "Das ist doch selbstverständlich, es war nett, dich kennen zu lernen. Gute Reise!" "Danke, ich habe mich auch gefreut, vielleicht besuche ich dich mal wieder, wenn ich größer bin." Die Sonne hatte trotz des späten Nachmittags noch genug Kraft und so dauerte es nicht lange bis Aquarina wieder auf ihrer Wolke angelangt war. Sie winkte Alina, die noch immer am Fenster stand und zum Himmel hinauf blickte, freundlich zu und als das Mädchen das winzige hell leuchtende Fünkchen in der kleinen weißen Wolke über ihr aufblitzen sah, wusste es, dass Aquarina wohlbehalten zu Hause angekommen war.
Im warmen Licht der untergehenden Sonne gingen Aquarina noch einmal die aufregenden Ereignisse des Tages durch den Kopf und während sie gerade dachte, was für ein großes Glück sie gehabt hatte, fielen ihr die Augen zu und erschöpft sank sie in einen tiefen Schlaf.
 
Theo und die Tintenkobolde
© Delia Kössler

Theo sitzt vor seinen Hausaufgaben. Verzweifelt versucht er die Wörter genauso nachzuschreiben wie seine Lehrerin sie vorgeschrieben hat. Doch die Buchstaben wollen nicht so wie er. Ständig tanzen sie aus der Reihe. Die Zeile sieht aus, als wäre eine Krähe übers Heft gelaufen. "Ich kann's einfach nicht!", ruft er aufgebracht und knallt wütend den Füllhalter auf den Tisch. Nun hat er auch noch drei dicke Tintenkleckse im Heft. Es ist zum Verzweifeln. Theo fängt an zu weinen. Doch was ist das? Plötzlich beginnen die Tintenkleckse sich von seinem Heft abzuheben. Sie blähen sich zu dickbäuchigen blauen Tropfen auf, aus denen Arme und Beine wie Knospen hervorsprießen. Dann fassen sich die Tintenmännchen bei den Händen und beginnen über das Papier zu tanzen. Im ersten Moment denkt Theo, die Tintenkleckse verschwimmen durch seine tränenverschleierten Augen, so dass es aussieht als würden sie sich bewegen. Er wischt sich die Tränen weg und starrt wie gebannt auf sein Heft. Nein – es ist keine Einbildung. Die Tintenkleckse tanzen wirklich quer über sein Heft und hinterlassen überall ihre Fußspuren. Staunend und mit zunehmender Belustigung beobachtet er das Treiben in seinem Heft. Als die Tintenkleckse merken, dass sie beobachtet werden, sagt einer von ihnen: "Hey, was glotzt du so? Hast du noch nie tanzende Tintenkobolde gesehen?" Natürlich hat Theo noch keine Tintenkobolde gesehen, geschweige denn tanzende, aber das konnte er diesem frechen Wicht doch nicht auf die Nase binden: "Na klar, hab ich schon von euch gehört", behauptet er kühl, "aber warum tanzt ihr ausgerechnet in meinem Heft herum. Meine Schrift ist doch schon kraklig genug." Sie halten kurz inne und der dickste von ihnen sagt: "Du selbst hast uns entstehen lassen und wir sind dir sehr dankbar dafür." "Jawohl das sind wir", pflichten die anderen ihm bei und schon tanzen sie ausgelassen weiter. "Aber was wird meine Lehrerin sagen, wenn sie neben der Krakelschrift auch noch überall Tintenflecke sieht?", sagt Theo traurig. Mühsam kämpft er gegen die wieder aufkommenden Tränen an. Die Tintenkobolde kümmert das nicht. Sie tanzen munter weiter. Da hat Theo eine Idee. "Passt nur auf, gleich geht's euch an den Kragen", verkündet er selbstsicher. "Ich hole jetzt einen Tintenkiller und dann ist es aus mit euch." Bei dem Wort "Tintenkiller" zucken die Kobolde zusammen und bleiben wie angewurzelt stehen. Dann flehen sie Theo an: "Ach bitte, lösch uns nicht weg! Wir sorgen auch dafür, dass deine Buchstaben nicht mehr aus der Reihe tanzen." "Wirklich? Wie wollt ihr das denn machen?", fragt Theo misstrauisch. "Wir sind schließlich Tintenkobolde und Tinte ist unser Leibgericht. Wir schlecken einfach die Tinte deiner misslungen Buchstaben wieder weg. Dann bleiben nur die besten stehen." "Aber, das nützt ja auch nichts", unterbricht Theo die Kobolde, "ich krieg ja nicht mal einen einzigen schönen Buchstaben hin. Könnt ihr nicht die Reihe für mich schreiben?" "Nein, das musst du schon alleine machen, aber wir können dir trotzdem helfen. Du wirst schon sehen, deine Buchstaben werden stehen wie die Einsen." "Also gut, aber was passiert dann mit euch? Wo wollt ihr dann bleiben? Tintenkleckse im Heft gilt nämlich nicht gerade als schick." "Mach dir darum keine Sorgen. Wir ziehen um auf eine andere Seite und wenn jemand diese aufschlägt, verstecken wir uns eben auf der nächsten. Wenn dein Heft irgendwann voll ist, interessiert sich sowieso keiner mehr dafür, ob da irgendwo ein Tintenklecks war." "Also gut, abgemacht. Ihr dürft in meinem Heft bleiben, wenn euch niemand sieht." Die Tintenkobolde jubeln vor Freude und beginnen sofort, die Reihe mit den Krakelbuchstaben aufzuschlecken. Die Zeile sieht nun wieder aus, als hätte dort nie etwas gestanden. Also dann, denkt Theo, versuchen kann man es ja noch mal. Kaum hat er den Füllhalter auf das Papier aufgesetzt, klammern sich die Tintenkobolde an der Schreibfeder fest. Wie von Zauberhand geführt, schreibt Theo eine neue Reihe. Freudig
überrascht, betrachtet er seine Buchstaben und kann kaum glauben, dass wirklich er sie geschrieben haben soll. Kein einziger tanzt aus der Reihe.
Von da an helfen die Tintenkobolde Theo beim Schreibenlernen, solange, bis er ihre Hilfe irgendwann nicht mehr braucht. Trotzdem ist Theo der einzige, der sie je zu Gesicht bekommen hat. Es hat sich nie jemand über Tintenkleckse in seinem Heft beschwert.

 
Die grüne Grenze
© Anna Pal Singh
Die dürren Gräser auf der kargen Weide bieten für die paar Ziegen und Schafe, die seine Familie nicht durch das Erdbeben verloren hat, kaum ausreichend Futter. Der Junge, er ist dünn, vielleicht 14 Jahre alt, hat sich gegen einer der Felsbrocken gelehnt, einem Überbleibsel der schrecklichen Tragödie. Gedankenverloren kaut er auf einem der bitteren Stängel, die seinen Ziegen als Nahrung dienen. Er hat Hunger. Die beiden Chapattis vom Frühstück hat er längst verdaut. Das Beben hat den Gemüsegarten der Mutter völlig zerstört. Nun muss die Familie von ein bisschen Brot, Joghurt und Milch leben. Früher haben sie immer heißen, süßen Tee zum Frühstück getrunken. Mit Kardamom darin. Er seufzt bei der Erinnerung an die schneeweiße, fette Milch der einzigen Kuh. Sie hat das Unglück nicht überlebt. Der Vater hat sie schlachten müssen. Das Fleisch haben sie mit den Nachbarn geteilt, denen noch weniger geblieben war.
Der Junge streckt sich auf dem harten Boden aus und schaut hinüber zu den schneebedeckten Bergen. Mehr als Siebentausend Meter sind sie hoch. Auf der anderen Seite der Hügel vor ihm liegt Indien. Er würde gern einmal den Dal-See sehen, auf dem die aus Holz geschnitzten Shikaras fahren und bei dessen Erwähnung der Nanna, der Vater seiner Mutter, feuchte Augen bekommt. Srinagar muss jetzt im Frühling nach Blumen duften, so hat es ihm die Nanni, seine Großmutter, beschrieben.. Sie wird ihre Heimat niemals wieder sehen. Ein Balken war während des Erdbebens auf sie herabgestürzt. Seitdem sitzt der Nanna auf dem Bett und redet nicht. Mit niemandem, auch nicht mit ihm, Asif. Der Junge seufzt. Früher hat der Großvater ihn zum Lachen gebracht, hat liebevoll mit den Tieren geredet. Nun schweigt er nur noch, wie der Felsen an dem Asif lehnt. Indien! Verträumt wandern seine Gedanken auf die andere Seite der Hügel. Auf der anderen Seite der Hügel hütet ein indischer Junge in seinem Alter ebenfalls eine Herde Tiere. Er hat ihn ein paar Mal aus der Ferne gesehen. Dann ruft er sich zur Ordnung. "Indien ist unser Feind, sie wollen unsere Kultur zerstören", behauptet der Dorfmullah, der die Jungen in dem kleinen Raum neben der Moschee unterrichtet. "Die Moschee haben sie zuerst wieder aufgebaut", erinnert sich der Junge, "und das Haus vom Mullah. Die anderen Familien mussten warten, bis genügend Holz geschlagen worden war." Er erinnert sich an die Monate, die er mit seinen Eltern, dem Nanna und den Geschwistern in dem zerlöcherten Zelt gehaust hat, durch das der eiskalte Wind pfiff. Seine kleine Schwester hatte eine Lungenentzündung bekommen und der Vater musste sein letztes Geld für die Behandlung ausgeben. Nun hat er kein Geld mehr für die Schule, auf die die Söhne gehen sollten. Asifs Blick schweift über die Herde. Er ist träge von der Frühlingssonne, deren goldene Strahlen ihn angenehm wärmen. Plötzlich springt er erschreckt auf. Azia, die beste Milchziege, ist nirgendwo zu sehen. Unruhig wandert sein Blick umher und bleibt an den nahen Hügeln hängen. Oben, klar abgegrenzt durch das Licht der Sonne, steht die Ziege. Eilends hetzt der Junge den Berg hinauf, stolpert mit nackten Füßen über Felsbrocken, schneidet sich die Finger blutig an den scharfen Ecken.des Felsgesteins. Er will die Ziege zurückholen, bevor sie auf der indischen Seite der grünen Grenze ist. Kein Zaun trennt die beiden Länder, nur wachsame Soldaten auf beiden Seiten. Er hat die Kuppe beinahe erreicht, da fliegen Gewehrkugeln durch die Luft. Erschreckt wirft er sich auf den Boden. An die Soldaten auf beiden Seiten der Grenze hat er in diesem Moment nicht gedacht. Die Ziege steht noch immer auf demselben Platz, für ihn unerreichbar. Das Tier ist der Stolz der Großvaters, wie kann er ohne Azia nach Hause kommen! Erneut versucht er sich aufzurichten. Doch eine weitere Salve von Gewehrkugeln hindert ihn daran. Vorsichtig robbt er zurück zu den anderen Tieren. Da steht er nun, umgeben von den Tieren, und schaut verzweifelt hinauf zum Hügel. "Oh Allah, wenn Du mich hörst, dann hilf mir", betet er inständig. Er kann seinen Blick nicht von der Ziege lassen. Das Unfassbare geschieht, die Ziege bewegt sich. Hinter ihr erscheint die vertraute Gestalt des indischen Jungen. Er hat einen langen Stock in der Hand und treibt die Ziege mit Steinen zurück auf die pakistanische Seite. Asif springt vor Freude in die Luft, jauchzt, dreht sich im Kreis. Auf ihren langen, dünnen Beinen stöckelt die Ziege den Abhang hinunter. Der Junge läuft ihr entgegen, wirft seine Arme um ihren Hals, schluchzt vor Freude. Oben am Hang, wo zuvor die Ziege stand, steht immer noch der indische Junge. Asif winkt ihm zu, so als wären seine Arme Windräder. Der Junge auf der anderen Seite winkt zurück und ist kurz darauf verschwunden. Dieser Junge ist nicht sein Feind. Eines Tages wird er, Asif, über diesen Berg gehen und dem Freund auf der anderen Seite für seinen Mut danken.
 

Ich bin ein Snirff
© Otto Wendl

Ich bin ein Snirff, dachte sich Peter. Und die wissen das. Wie könne sie es also wagen, hier aufzukreuzen und ihm Befehle zu erteilen. Sein Vater ist hier König. Er hat dieses Land groß gemacht. Es strotzt nur so vor Wasserrutschen, Schokobäumen und Lakritzflüssen. Und Karnok, der Alchimist seines Vaters, machte die Soldaten dieses Landes unverwundbar. Wie könne sie es also wagen …?
Schert euch fort, schrie Peter in die Gruppe von 7-8 Personen hinein. Er wusste, woher sie kamen. Offenbar hatten sie es geschafft, aus dem Dorf der Ausgewachsenen, in das er sie vor Jahren verbannt hatte, zu flüchten und wollten hier nun Unruhe stiften.
Schert euch fort, sonst werdet ihr es bereuen. Peter war sich siegessicher. Er brauchte nur den linken Fuß nach außen zu drehen um mit dem rechten Arm einen Kreis zu beschreiben. Dann würde Smyrnigg erwachen. Er würde über dem Schloss des Vaters in den Himmel empor steigen, mit kräftigen Flügelschlägen sofort zu ihm eilen und dieses Lumpenpack mit seinem gewaltigen Feuerstrahl vernichten.
Doch irgendetwas veränderte sich in der vor ihm stehenden Gruppe. Sie begann, in der Mitte zu leuchten.
Geht beiseite, herrschte Peter die Meute an. Und die 7 zerlumpten und abgemagerten Gestalten begannen sich aufzulösen. Übrig blieb eine weiß gewandete, von einem überirdischen Glanz umgebene Frau. Sie hatte das Gesicht seiner Mutter.
Mama, schrie Peter. Und so schnell ihn seine kleinen Beine tragen konnten, eilt er zu seiner Mutter. Er umschlang sie fest mit seinen Armen und die beiden liebkosten sich eine ganze Unendlichkeit. Peter, mein Schatz, sagte seine Mutter. Du musst aufhören, so zornig zu sein. Diese Leute können nichts dafür, dass ich von euch gegangen bin.
Aber sie werden dich wieder mitnehmen, sagte Peter. Ich will das nicht. Ich vermisse dich so sehr.
Es wird besser werden, entgegnete seine Mutter. Hörst du, Peter. Peter?
Die Stimme der Mutter begann sich plötzlich zu entfernen und je mehr sie sich entfernte, desto tiefer wurde sie. Peter. Die Stimme wurde wieder lauter. Und Peter erwachte. Er kauerte über seiner Schulbank und sein Lehrer stand direkt vor ihm.
Peter, die Stunde ist zu Ende. Wo ist dein Aufsatz?
Peter erinnerte sich an das leere Blatt Papier, das ihm zu Beginn der Stunde ausgehändigt wurde. Es lag strahlend weiß und unberührt vor ihm. Peter, was soll ich nur mit dir machen, sagte der Lehrer. Hast du denn gar keine Fantasie? Und der Lehrer zog bösen Blickes Peter den leeren Zettel unter den Händen weg.
Aber ich bin Snirff, dachte sich Peter und weinte.
 
31- http://gute-nacht-geschichten.com/katze-und-maus-in-gesellschaft/
31-Katze und Maus in Gesellschaft
Eine Katze hatte Bekanntschaft mit einer Maus gemacht und ihr soviel von grosser Liebe und Freundschaft vorgesagt, die sie zu ihr trüge, dass die Maus endlich einwilligte, mit ihr zusammen in einem Haus zu wohnen und gemeinschaftliche Wirtschaft zu führen. „Aber für den Winter müssen wir Vorsorge tragen, sonst leiden wir Hunger,“ sagte die Katze. „Du, Mäuschen, kannst dich nicht überallhin wagen und gerätst mir am Ende in eine Falle.“ Der gute Rat wurde also befolgt und ein Töpfchen mit Fett angekauft. Sie wussten aber nicht, wohin sie es stellen sollten. Endlich, nach langer Überlegung, sprach die Katze: „Ich weiss keinen Ort, wo es besser aufgehoben wäre, als die Kirche; da getraut sich niemand etwas wegzunehmen. Wir stellen es unter den Altar und rühren es nicht eher an, als bis wir es nötig haben.“ Das Töpfchen wurde also in Sicherheit gebracht. Aber es dauerte nicht lange, so trug die Katze Gelüste danach und sprach zur Maus: „Was ich dir sagen wollte, Mäuschen, ich bin von meiner Base zum Gevatter gebeten. Sie hat ein Söhnchen zur Welt gebracht, weiss mit braunen Flecken, das soll ich über die Taufe halten. Lass mich heute ausgehen und besorge du das Haus allein!“ – „Ja, ja,“ antwortete die Maus, „geh in Gottes Namen! Wenn du was Gutes isst, so denk an mich! Von dem süssen roten Festwein tränk ich auch gern ein Tröpfchen!“ Es war aber alles nicht wahr. Die Katze hatte keine Base und war nicht zum Gevatter gebeten. Sie ging geradewegs nach der Kirche, schlich zu dem Fettöpfchen und leckte die fette Haut ab. Dann machte sie einen Spaziergang auf den Dächern der Stadt, streckte sich hernach in der Sonne aus und wischte sich den Bart, sooft sie an das Fettöpfchen dachte. Erst als es Abend war, kam sie wieder nach Hause. „Nun, da bist du ja wieder!“ sagte die Maus. „Du hast gewiss einen lustigen Tag gehabt.“ – „Es ging an,“ antwortete die Katze. „Was hat denn das Kind für einen Namen bekommen?“ fragte die Maus. „Hautab,“ sagte die Katze ganz trocken. „Hautab,“ rief die Maus, „das ist ja ein seltsamer Name! Ist der in eurer Familie gebräuchlich?“ – „Was ist da weiter!“ sagte die Katze. „Er ist nicht schlechter als Bröseldieb, wie deine Paten heissen.“

Nicht lange danach überkam die Katze wieder ein Gelüste. Sie sprach zur Maus: „Du musst mir den Gefallen tun und nochmals das Hauswesen allein besorgen; ich bin zum zweitenmal zum Gevatter gebeten, und da das Kind einen weissen Ring um den Hals hat, so kann ich’s nicht abschlagen.“ Die gute Maus willigte ein, die Katze aber schlich hinter der Stadtmauer zu der Kirche und frass den Fettopf halb aus. „Es schmeckt nichts besser,“ sagte sie, „als was man selber isst,“ und war mit ihrem Tagewerk ganz zufrieden. Als sie heimkam, fragte die Maus: „Wie ist denn dieses Kind getauft worden?“ – „Halbaus,“ antwortete die Katze. „Halbaus! Was du sagst! Den Namen habe ich mein Lebtag noch nicht gehört. Ich wette, der steht nicht im Kalender.“

Der Katze wässerte das Maul bald wieder nach der Leckerei. „Aller guten Dinge sind drei,“ sprach sie zu der Maus. „Ich soll wieder Gevatter stehen. Das Kind ist ganz schwarz und hat bloss weisse Pfoten, sonst kein weisses Haar am ganzen Leib. Das trifft sich alle paar Jahre nur einmal. Du lässest mich doch ausgehen?“ – „Hautab, Halbaus,“ antwortete die Maus, „es sind seltsame Namen, die machen mich nachdenklich.“ – „Da sitzest du daheim in deinem dunkelgrauen Flausrock und deinem langen Haarzopf,“ sprach die Katze, „und fängst Grillen. Das kommt davon, wenn man bei Tag nicht ausgeht!“ Die Maus räumte während der Abwesenheit der Katze auf und brachte das Haus in Ordnung; die naschhafte Katze aber frass den Fettopf rein aus. „Wenn erst alles aufgezehrt ist, so hat man Ruhe,“ sagte sie zu sich selbst und kam satt und dick erst in der Nacht nach Hause. Die Maus fragte gleich nach dem Namen, den das dritte Kind bekommen habe. „Er wird dir wohl auch nicht gefallen,“ sagte die Katze; „er heisst Ganzaus.“ – „Ganzaus!“ rief die Maus. „das ist der allerbedenklichste Name, gedruckt ist er mir noch nicht vorgekommen. Ganzaus! Was soll das bedeuten?“ Sie schüttelte den Kopf, rollte sich zusammen und legte sich schlafen.

Von nun an wollte niemand mehr die Katze zum Gevatter bitten. Als aber der Winter herangekommen und draussen nichts mehr zu finden war, gedachte die Maus ihres Vorrats und sprach: „Komm, Katze, wir wollen zu unserm Fettopf gehen, den wir uns aufgespart haben! Der wird uns schmecken.“ – „Jawohl,“ erwiderte die Katze, „der wird dir schmecken, als wenn du deine feine Zunge zum Fenster hinausstreckst.“ Sie machten sich auf den Weg, und als sie anlangten, stand zwar der Fettopf noch an seinem Platz, war aber leer. „Ach,“ sagte die Maus, „jetzt merke ich, was geschehen ist! jetzt kommt’s an den Tag. Du bist mir eine wahre Freundin! Aufgefressen hast du alles, während du behauptetest, Gevatter zu stehen: erst Haut ab, dann halb aus, dann…“ – „Willst du schweigen!“ rief die Katze. „Noch ein Wort, und ich fresse dich auf!“

„Ganz aus,“ hatte die arme Maus schon auf der Zunge. Kaum war es heraus, tat die Katze einen Satz nach ihr, packte sie und schlang sie hinunter. Siehst du, so geht’s in der Welt.
 
Geschichte von der kleinen Annika

Ich erzähle euch die Geschichte von der kleinen Annika…
Annika zieht ihre Kuscheldecke bis unters Kinn, drückt ihren Teddy fest an sich und kneift ihre Augen zusammen. Es hilft alles nichts. Sie flüchtet Nacht für Nacht in das sichere Nest ihrer Eltern.
Ich kann Annika sehr gut verstehen.
Was würdest du als Elternteil sagen, damit sie sich nicht mehr ängstigt? Würdest du versuchen ihr zu erklären, dass es Geister nicht gibt? Annika würde protestieren. Sie existieren sehr wohl! Sie kann sie hören. Ja, sogar spüren.
Annikas Mutter hat eine Idee.
Sie stellt einen kleinen, grün-scheinenden Mond in das Kinderzimmer und erklärt ihrer Tochter folgendes: „Wusstest du, dass Geister Angst vor grünem Licht haben?” Annika schaut ihre Mutter mit großen Augen an. “Geister haben auch Angst?” fragt sie. “Ja, und sie können dir nichts anhaben, wenn der grüne Mond für dich leuchtet.”
Annika nickt und versteht.
Jedes Mal, wenn nun Annika wieder ein Kichern hört oder es draußen blitzt und stürmt, schaut sie zu dem Mond. Sie glaubt an ihn. Stellt sich vor, dass sein grünes Licht sie ganz einhüllt. Vertraut auf die Weisheit und Liebe ihrer Mutter und schließt beruhigt die Augen.
Geister vor denen sich Erwachsene fürchten
Jedoch geht die Geschichte weiter…
Annika wächst heran. Irgendwann braucht sie das grüne Licht nicht mehr. Die Vorstellung von Hexen und Monstern ist nun ulkig.
Jedoch… erscheinen ganz andere Geister in Annikas Leben.
Die Sorge, nicht den Richtigen zu finden. Die Sorge, dass das Geld für die Mieterhöhung nicht reicht. Die Befürchtung, dass sie nie mehr in ihre Lieblingsjeans passen wird…
Kommen dir diese Gespenster bekannt vor?
Auch dreißig Jahre später kann sie abermals wegen Geistern nicht einschlafen. Sie wendet sich wieder an ihre Mutter.
“Weißt du Mama, ich wälze mich manchmal stundenlang im Bett herum. Die Sorgen wollen einfach nicht verschwinden.”
„Meine Kleine, kannst du dich noch an den grünen Mond erinnern, der alle deine Geister verscheuchte?“
„Ja. Was meinst du damit? Ein Plastiklicht wird ja wohl kaum die Lösung für meine Sorgen sein. Diese sind nämlich real!“
Da muss die Mutter erstmal herzlich lachen.
„Sorgen sind wie Gespenster. Wenn du nicht an sie glaubst, können sie dir nicht schaden. Denn Sorgen oder Ängste haben nur eine Macht: Sie halten dich davon ab, dich auf jenes zu konzentrieren, was du möchtest.
Deine Aufmerksamkeit ist wie der Scheinwerfer eines Leuchtturms. Wenn er auf auf dem ruht, was du möchtest, kann er nicht bei deinen Sorgen sein.“
Die Mutter kichert vergnügt und will aufstehen. Für sie ist alles gesagt.
Sorgen kann man nicht bekämpfen
“Aber Mama, wenn ich nicht meine Sorgen löse, dann bleiben sie doch! Ich muss doch über sie nachdenken.”
“Haben wir uns früher mit deinen Geistern beschäftigt? Wurde dein Kleiderschrank abgebaut, die Füße deines Kinderbetts gestutzt oder die Ghostbuster gerufen?
Nein, wir haben deine Geister nicht bekämpft, weil es sie nicht gibt. Nur deine Aufmerksamkeit hat ihnen Leben eingehaucht. Genauso existieren deine Sorgen nur in deinem Kopf. Wenn du sie versuchst zu lösen oder zu bekämpfen, bleiben sie am Leben.”
Annika denkt über die Worte ihrer Mutter nach. Wenn dies ihr ein Fremder gesagt hätte, dann hätte sie ihn als Realitätsflüchtling abgestempelt. Jedoch hat sie ihre Mutter zu oft beobachtet, wie sie bei jeglichen Herausforderungen ihr Lächeln behalten hat. Sie hatte dabei nie das Gefühl, dass sie etwas überdecken würde.
Erst jetzt, nachdem sie selber die Irrwege und Auf- und Abs des Lebens kennt, schätzt sie dies an ihrer Mutter noch mehr.
“O.K.” sagt Annika. “Ich gebe dem ein Versuch. Aber an den Schutz des grünen Mondes glaube ich nicht mehr. Tut mir Leid.”
Daraufhin antwortet die Mutter. “Du hast etwas viel, viel besseres. Es sind deine Wünsche und Träume. Lenke dein Scheinwerferlicht auf die Orte, die du sehen, die Menschen mit denen du lachen und die Erfolge die du feiern möchtest.
Ich verspreche dir, dass auch diese Bilder Tag für Tag lebendiger werden.”
Wir alle stehen täglich unzählige Male vor der Wahl: Entweder lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf unsere Sorgen oder auf unsere Träume.
Unser Leben wird sich an dieser Entscheidung orientieren.
(Geschichte von Fabian Ries – http://www.fabianries.de/gute-nacht-geschichte/)
 
Die kleine Feldmaus zähmt wilde Tiere
Es war ein herrlicher, lauer Sommertag. Die kleine Feldmaus und ihre Freunde spielten den ganzen Tag auf dem Feld beim Weiher. Sie spielten Fangen, Verstecken und rannten um die Wette.
„Ich habe eine Idee!“ Wenn die Feldmaus so anfing, dann waren die Freunde immer ganz gespannt. „Wir spielen Zirkus!“ „Zirkus?“ wunderte sich das kleine rosa Schweinchen. „Ja! Zirkus. Ich bin der Dompteur und ihr seid die wilden Tiere.“ „Was soll ich kleiner Frosch denn sein.“ „Du bist eine Robbe.“ „Was?“ Der Frosch konnte es nicht glauben. Eine Robbe! So ein Quark. „Und ich?“ fragte der Igel. „Du bist…“ Die Feldmaus überlegte kurz. „Du bist ein Pferd.“ „Ich bin doch kein Pferd.“ wand der Igel ein. „Ein Pferd hat doch keine Stacheln.“ „Wir spielen doch nur. Und du, Schweinchen, bist ein Löwe.“ „Yeah! Ich bin der Löwe. Huarrrrg!“ brüllte das Schweinchen gleich.
Kurz darauf saßen die drei „Tiere“ um die Feldmaus herum und „bedrohten“ sie. Die Feldmaus schwang ein längliches Blatt wie eine Peitsche. „Wilde Tiere! Gehorcht! Tut, was ich sage!“ Und das Blatt sauste über ihre Köpfe hinweg. „Roaaarrrr!“ brüllte das Schweinchen. „Hui hihihihi hi. Brrrr.“ machte das Pferd und warf den Kopf hin und her. „Urk Urk Urk.“ freute sich die Robbe, bis sie den Löwen auf sich zukommen sah.
Der Frosch hopste weg. „Laß mich in Ruhe, Schweinchen. Du bist kein Löwe.“ Aber das Schweinchen rannte hinter der Robbe her. „Grrrrr. Ich habe Hunger!“ „Stop Löwe!“ rief der Dompteur. „Gehorche mir! Setz dich hin und laß die Robbe in Frieden.“ Der Löwe setzte sich hin, grummelte aber weiter vor sich hin.
Unterdessen wollte das Pferd abhauen. Der Igel galoppierte zum Feldrand. Naja, eigentlich stapste der Igel ganz gemächlich, wie ein Igel eben stapst. Aber im Spiel geloppierte das Pferd schnell wie der Wind über das Feld. „Pferd! Bleib stehen. Brrrrrr!“ machte die Feldmaus. Ähm… der Dompteur. Und das Pferd wurde immerhin langsamer.
Die Robbe saß nun wieder direkt neben dem Dompteur und machte ständig ihr Maul auf. „Urk Urk!“ sagte sie. Und die Feldmaus fragte: „Was ist kleine Robbe? Hast du Hunger?“ „URK URK!“ rief die Robbe glücklich und wartete auf einen Fisch. Die Feldmaus hielt ihr einen Maiskolben hin, der am Feldrand gelegen hatte. „Öäh!“ machte die Robbe und schüttelte den Kopf. „Los iß!“ rief der Dompteur. „Damit du durch diesen brennenden Reifen springen kannst, wenn ich es sage!“
„Was soll ich tun?“ regte sich der Frosch auf. „Ich springe doch nicht durch einen brennenden Reifen!“ „Nur aus Spiel. Manno! Hier ist Phantasie gefragt.“ „Phantasie. Quark alles. Ich will keine Robbe sein.“ „Okay, dann bist du eben ein… genau! Ein Zebra.“ „Schon besser.“ freute sich der Frosch. Und schaute sich zufrieden seine gedachten Streifen an. Dann fing er an, zu hopsen, ääh… zu galoppieren, so wie der Igel. Der Igel gesellte sich dazu und flüsterte dem Zebra etwas in das Zebraohr.
Dann galoppierten die beiden Seite an Seite auf den Feldrand zu in Richtung Koppel. „Halt! Bleibt stehen.“ rief der Dompteur. Aber Pferd und Zebra verstanden sich scheinbar prächtig und dachten gar nicht daran, zu gehorchen. Sie trabten weiter Richtung Koppel. „He ihr zwei! Was habe ich euch gesagt? Stehenbleiben und zurückgaloppieren. Sofort!“.“Pah! Wir denken gar nicht daran. Fang uns doch wieder ein. Dein Löwe kann ja helfen.“
Genau! So wollte der Dompteur es machen. „Löwe! Sei grimmig und fang mit mir die beiden Galoppeltierchen wieder ein!“ GRROARRR war die Antwort und der Löwe sprintete zur Koppel, an der die beiden Reiterlieblinge bereits angekommen waren. „Grrrrr! Huaaarr!“ machte der Löwe und fiel das Zebra von hinten an. „Aua!“ rief der Frosch und boxte dem Löwen in die Pobacke. „Du kannst mich doch nicht beißen! Du Kuscheltier.“ „Aber ich bin ein Löwe. Und Löwen fressen Zebras,“ „Aber doch nicht aus Spiel! Du Drei-Käse-Hoch.“ Dann suchte sich der Löwe das Pferd aus. „Ne ne ne ne ne!“ rief der Igel gleich, als er den Löwen auf sich zukommen sah. „Wenn du mich auch nur mit dem Schnurrbart piekst, mache ich einen Knoten in dein Löwen-Ringelschwänzchen.“
Das Schweinchen blieb beleidigt stehen und fing an zu schmollen. Eine kleine Träne lief auf seiner linken Wange herunter. „Oh man Schweinchen! Ich hab’s nicht so gemeint.“ Das Schweinchen fing ein wenig an, zu lächeln. „Okay, du darfst mich beißen. Aber nicht doll!“ Und der Löwe nahm den Pulli vom Igel in das Schnäuzchen und grinste bis über beide Ohren. Der Igel verdrehte die Augen. „Jetzt ist aber gut. Gib den Pulli wieder her!“ Und der Igel rupfte seinen Pullover wieder an sich.
„Ihr seid die verrückteste Wildtiergruppe, die je gezähmt wurde!“ sagte die kleine Feldmaus voller Stolz. „Und jetzt bist du ein Krokodil und ich bin der Dompteur.“ sagte der Frosch zur kleinen Feldmaus. Er nahm die „Peitsche“ und schwang sie über seinen Kopf. „Wilde Tiere! Hört auf mein Kommando: Männchen machen!“ Die wilden Tiere versuchten Männchen zu machen. Und dann krümmten sie sich vor Lachen. Das war die lustigste Zirkusnummer, die auf der Koppel je stattgefunden hatte.
Geschichte von Torsten Kühnert
 
Der dänische König
Dänemark liegt hoch oben im Norden, wo Deutschland aufhört. Dort gibt es noch heute einen König, der ist aber nicht mehr zum Regieren da, sondern besucht meistens Kindergärten, weil seine Frau Kinder so mag.
Vor langer Zeit aber war der Dänische König sehr mächtig. Wie früher alle Könige, wollte er immerzu sein Land vergrößern, damit er noch mächtiger würde. Also musste er zusätzlich ein anderes Land erobern. Das war nun nicht ganz leicht. – Im Süden von Dänemark war Deutschland, damals die Königreiche Hannover und Preußen. Mit denen konnte er sich nicht anlegen, denn die hatten viel mehr Soldaten als er. Ebenso die Schweden, deren Land neben Dänemark liegt.
Also blickte er nach Norden. Weit hinter dem Meer lag Grönland. Das ist zwar ein riesig großes Land, aber man wusste damals sehr wenig darüber, und es sollte dort auch sehr kalt sein. Er ließ also drei Schiffe aus der königlichen Flotte beladen. Auf jedes setzte er einen tapferen Ritter und etliche Soldaten, sowie Pferde und allerlei Kriegsgerät.
Dann ging es ab nach Grönland in den furchtbar kalten Norden. Als die Schiffe dort ankamen, sahen sie als erstes unheimlich viel Eis und Schnee. Die Ritter zogen ihre Rüstungen an und gingen an Land, um es zu erobern. Doch kein Mensch war zu sehen und die Ritter froren in ihren eisernen Rüstungen gleich auf dem Eis fest, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnten. Sie strampelten wie wild und schepperten mächtig in ihren eisernen Rüstungen, um vom Eis freizukommen.
Ein paar der anderen Soldaten mussten ein Feuer machen, um sie wieder frei zu bekommen. Dadurch wurden natürlich die Rüstungen an den Füssen ziemlich heiß und die Ritter verbrannten sich die Füße. Sie hopsten wie wild herum, bis sie endlich frei waren und schleunigst auf dem Schiff verschwanden.
Dann hat man versucht, die Pferde an Land zu bringen, weil man ja Grönland erobern sollte. Die Pferde mühten sich schwer ab, aber nach ein paar Metern blieben auch sie im Schnee stecken. Die Soldaten konnten auch nicht im hohen Schnee laufen und froren jämmerlich, sodass schließlich alle mit ihren Pferden wieder auf die Schiffe gingen und Grönland erstmal nicht erobern konnten. Als die Ritter ganz traurig rumsaßen und nachdachten, meldete der Ausguck auf dem Mast des Schiffes: „Feind voraus!!“
Und tatsächlich sahen die Ritter erstaunt, wie ein Schlitten mit ganz kleinen Pferden herangesaust kam. Sie staunten noch mehr, als sie entdeckten, dass es keine Pferde, sondern viele Hunde vor einem Schlitten waren, die da so mühelos über den Schnee näher sausten.
Alle holten ihre Gewehre und Lanzen und fürchteten, dass sie sich verteidigen müssten. Es war aber nur ein Mann auf dem Schlitten, ein Eskimo. Der grüßte sie ganz freundlich und freute sich, so viele Menschen zu sehen, weil in Grönland ja nicht so viele Leute wohnen und man oft ziemlich einsam und alleine ist. Er hieß alle herzlich willkommen und fragte sie, ob sie ihn nicht am Abend besuchen wollten, seine Frau würde für sie eine schöne Suppe aus Seehundfleisch kochen.
Von wem man so freundlich begrüßt wird, gegen den kann man schlecht kämpfen, und so setzten sich drei der Ritter mit auf den Hundeschlitten, aber ohne ihre schweren Rüstungen. Husch – sauste man über die Landschaft bis an eine komische Hütte, die war ganz aus Schnee. Die nennt sich Iglu und ist rund, aber es ist sehr schön warm darin!
Als sie gegessen hatten, bedankten sie sich und der Eskimo fuhr sie wieder mit dem Hundeschlitten zu ihren Schiffen. Dann wurde beschlossen, erst einmal wieder zurück nach Dänemark zu fahren.
Sie haben dann dem König alles berichtet. Der hielt Rat mit seinen Ministern, wie man denn nun Grönland erobern könnte. Sie fragten auch einen weisen alten Mann, der hieß Graf Johannsen. Der Graf flüsterte dem König seinen Vorschlag ins Ohr und der war begeistert!
Er schickte seinen Haushofmeister in die Stadt, der sollte alles an Vanillepulver kaufen, was er bekommen könnte. Dann rüstete er wieder ein Schiff aus, aber die Ritter sollten diesmal dicke Pelzmäntel anziehen und Schlitten mitnehmen. Außerdem war der ganze Laderaum voll Vanillepulver!
In Grönland angekommen, wurden sie wieder von Eskimos begrüßt, man kannte sich inzwischen ja schon. Die Soldaten aus Dänemark holten eine Menge frischen Schnee und machten mit ihrem Vanillepulver daraus köstliches Vanilleeis. Das schenkten sie den Eskimos.
So etwas hatten die ja noch nie gegessen! Sie waren ganz verrückt danach und wollten immer noch mehr haben. Die Ritter hielten aber alles unter Verschluss und wollten erst den Eskimoführer sprechen, den man schleunigst holte. Mit ihm machten die Ritter einen Vertrag, dass ab sofort Grönland zu Dänemark gehören würde und dafür würden die Eskimos so viel Vanilleeis bekommen wie sie essen konnten.
Danach segelten die Ritter mit ihrem Schiff nach Hause und berichteten ihrem König, dass Grönland jetzt zu Dänemark gehören würde, ohne dass es einen Krieg gegeben hätte!
Und so ist es bis heute geblieben, da könnt ihr jeden Dänen fragen.
 
 Hurleburlebutz

Ein König verirrte sich auf der Jagd, da trat ein kleines weisses Männchen vor ihn: „Herr König, wenn Ihr mir Eure jüngste Tochter geben wollt, so will ich Euch wieder aus dem Wald führen.“ Der König sagte es in seiner Angst zu, das Männchen brachte ihn auf den Weg, nahm dann Abschied und rief noch nach: „In acht Tagen komm ich und hol meine Braut.“ Daheim aber war der König traurig über sein Versprechen, denn die jüngste Tochter hatte er am liebsten; das sahen ihm die Prinzessinnen an und wollten wissen, was ihm Kummer mache. Da musst er’s endlich gestehen, er habe die jüngste von ihnen einem kleinen weissen Waldmännchen versprochen, und das komme in acht Tagen und hole sie ab. Sie sprachen aber, er solle gutes Muts sein, das Männchen wollten sie schon anführen. Darnach, als der Tag kam, kleideten sie eine Kuhhirtstochter mit ihren Kleidern an, setzten sie in ihre Stube und befahlen ihr: „Wenn jemand kommt und will dich abholen, so gehst du mit!“ Sie selber aber gingen alle aus dem Hause fort. Kaum waren sie weg, so kam ein Fuchs in das Schloss und sagte zu dem Mädchen: „Setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hur- leburlebutz! hinaus in den Wald!“ Das Mädchen setzte sich dem Fuchs auf den Schwanz, und so trug er es hinaus in den Wald; wie sie aber auf einen schönen grünen Platz kamen, wo die Sonne recht hell und warm schien, sagte der Fuchs: „Steig ab und laus mich!“ Das Mädchen gehorchte, der Fuchs legte seinen Kopf auf ihren Schoss und ward gelaust; bei der Arbeit sprach das Mädchen: „Gestern um die Zeit war’s doch schöner in dem Wald!“ – „Wie bist du in den Wald gekommen?“ fragte der Fuchs. „Ei, da hab ich mit meinem Vater die Kühe gehütet.“ – „Also bist du nicht die Prinzessin! Setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! zurück in das Schloss!“ Da trug sie der Fuchs zurück und sagte zum König: „Du hast mich betrogen, das ist eine Kuhhirtstochter, in acht Tagen komm ich wieder und hol mir deine.“ Am achten Tage aber kleideten die Prinzessinnen eine Gänsehirtstochter prächtig an, setzten sie hin und gingen fort. Da kam der Fuchs wieder und sprach: „Setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! hinaus in den Wald!“ Wie sie in dem Wald auf den sonnigen Platz kamen, sagte der Fuchs wieder: „Steig ab und laus mich!“ Und als das Mädchen den Fuchs lauste, seufzte es und sprach: „Wo mögen jetzt meine Gänse sein!“ – „Was weisst du von Gänsen?“ – „Ei, die hab ich alle Tage mit meinem Vater auf die Wiesen getrieben.“ – „Also bist du nicht des Königs Tochter! Setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! zurück in das Schloss!“ Der Fuchs trug sie zurück und sagte zum König: „Du hast mich wieder betrogen, das ist eine Gänsehirtstochter, in acht Tagen komm ich noch einmal, und wenn du mir dann deine Tochter nicht gibst, so soll dir’s übel gehen.“ Dem König ward Angst, und wie der Fuchs wieder kam, gab er ihm die Prinzessin. „Setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! hinaus in den Wald!“ Da musste sie auf dem Schwanz des Fuchses hinausreiten, und als sie auf den Platz im Sonnenschein kamen, sprach er auch zu ihr: „Steig ab und laus mich!“ Als er ihr aber seinen Kopf auf den Schoss legte, fing die Prinzessin an zu weinen und sagte: „Ich bin eines Königs Tochter und soll einen Fuchs lausen, sass ich jetzt daheim in meiner Kammer, so könnt ich meine Blumen im Garten sehen!“ Da hörte der Fuchs, dass er die rechte Braut hatte, verwandelte sich in das kleine weisse Männchen, und das war nun ihr Mann, bei dem musst sie in einer kleinen Hütte wohnen, ihm kochen und nähen, und es dauerte eine gute Zeit. Das Männchen aber tat ihr alles zuliebe.

Einmal sagte das Männchen zu ihr: „Ich muss fortgehen, aber es werden bald drei weisse Tauben geflogen kommen, die werden ganz niedrig über die Erde hinstreifen, davon fang die mittelste, und wenn du sie hast, schneid ihr gleich den Kopf ab, hüt dich aber, dass du keine andere ergreifst als die mittelste, sonst entsteht ein gross Unglück daraus.“ Das Männchen ging fort; es dauerte auch nicht lang, so kamen drei weisse Tauben dahergeflogen. Die Prinzessin gab acht, ergriff die mittelste, nahm ein Messer und schnitt ihr den Kopf ab. Kaum aber lag der auf dem Boden, so stand ein schöner junger Prinz vor ihr und sprach: „Mich hat eine Fee verzaubert, sieben Jahr lang sollt ich meine Gestalt verlieren und sodann als eine Taube an meiner Gemahlin vorbeifliegen, zwischen zwei ändern, da müsse sie mich fangen und mir den Kopf abhauen, und fange sie mich nicht oder eine unrechte und ich sei einmal vorbeigeflogen, so sei alles vorbei und keine Erlösung mehr möglich; darum hab ich dich gebeten, ja recht achtzuhaben, denn ich bin das graue Männlein und du meine Gemahlin.“ Da war die Prinzessin vergnügt, und sie gingen zusammen zu ihrem Vater, und als der starb, erbten sie das Reich.


Der Okerlo



Eine Königin setzte ihr Kind in einer goldenen Wiege aufs Meer und liess es fort schwimmen; es ging aber nicht unter, sondern schwamm zu einer Insel, da wohnten lauter Menschenfresser. Wie nun so die Wiege geschwommen kam, stand gerade die Frau des Menschenfressers am Ufer, und als sie das Kind sah, welches ein wunderschönes Mädchen war, beschloss sie, es grosszuziehen für ihren Sohn, der sollte es einmal zur Frau haben. Doch hatte sie grosse Not damit, dass sie es sorgfältig vor ihrem Mann, dem alten Okerlo, versteckte, denn hätte er es zu Gesicht bekommen, so wäre es mit Haut und Haar aufgefressen worden.

Als nun das Mädchen gross geworden war, sollte es mit dem jungen Okerlo verheiratet werden, es mochte ihn aber gar nicht leiden und weinte den ganzen Tag. Wie es so einmal am Ufer sass, da kam ein junger, schöner Prinz geschwommen, der gefiel ihm, und es gefiel ihm auch, und sie versprachen sich miteinander; indem aber kam die alte Menschenfresserin, die wurde gewaltig bös, dass sie den Prinzen bei der Braut ihres Sohnes fand, und kriegte ihn gleich zu packen: „Wart nun, du sollst zu meines Sohnes Hochzeit gebraten werden!“

Der junge Prinz, das Mädchen und die drei Kinder des Okerlo schliefen aber alle in einer Stube zusammen; wie es nun Nacht wurde, kriegte der alte Okerlo Lust nach Menschenfleisch und sagte: „Frau, ich habe nicht Lust, bis zur Hochzeit zu warten, gib mir den Prinzen nur gleich her!“ Das Mädchen aber hörte alles durch die Wand, stand geschwind auf, nahm dem einen Kind des Okerlo die goldene Krone ab, die es auf dem Haupte trug, und setzte sie dem Prinzen auf. Die alte Menschenfresserin kam gegangen, und weil es dunkel war, so fühlte sie an den Häuptern, und das, welches keine Krone trug, brachte sie dem Mann, der es augenblicklich aufass. Indessen wurde dem Mädchen himmelangst, es dachte: „Bricht der Tag an, so kommt alles heraus, und es wird uns schlimm gehen.“ Da stand es heimlich auf und holte einen Meilenstiefel, eine Wünschelrute und einen Kuchen mit einer Bohne, die auf alles Antwort gab.

Nun ging sie mit dem Prinzen fort, sie hatten den Meilenstiefel an, und mit jedem Schritt machten sie eine Meile. Zuweilen trugen sie die Bohne:

„Bohne, bist du auch da?“

„Ja,“ sagte die Bohne, „da bin ich, eilt euch aber, denn die alte Menschenfresserin kommt nach im andern Meilenstiefel, der dort geblieben ist!“ Da nahm das Mädchen die Wünschelrute und verwandelte sich in einen Schwan, den Prinzen in einen Teich, worauf der Schwan schwimmt. Die Menschenfresserin kam und lockte den Schwan ans Ufer, allein es gelang ihr nicht, und verdriesslich ging sie heim. Das Mädchen und der Prinz setzten ihren Weg fort:

„Bohne, bist du da?“

„Ja,“ sprach die Bohne, „hier bin ich, aber die alte Frau kommt schon wieder, der Menschenfresser hat ihr gesagt, warum sie sich habe anführen lassen.“ Da nahm das Mädchen den Stab und verwandelte sich und den Prinzen in eine Staubwolke, wodurch die Frau Okerlo nicht dringen kann, also kehrte sie unverrichteter Sache wieder um, und die andern setzten ihren Weg fort.

„Bohne, bist du da?“

„Ja, hier bin ich, aber ich sehe die Frau Okerlo noch einmal kommen, und gewaltige Schritte macht sie.“ Das Mädchen nahm zum dritten Mal den Wünschelstab und verwandelte sich in einen Rosenstock und den Prinzen in eine Biene, da kam die alte Menschenfresserin, erkannte sie in dieser Verwandelung nicht und ging wieder heim.

Allein nun konnten die zwei ihre menschliche Gestalt nicht wieder annehmen, weil das Mädchen das letzte Mal in der Angst den Zauberstab zu weit weggeworfen; sie waren aber schon so weit gegangen, dass der Rosenstock in einem Garten stand, der gehörte der Mutter des Mädchens. Die Biene sass auf der Rose, und wer sie abbrechen wollte, den stach sie mit ihrem Stachel. Einmal geschah es, dass die Königin selber in ihren Garten ging und die schöne Blume sah, worüber sie sich so verwunderte, dass sie sie abbrechen wollte. Aber Bienchen kam und stach sie so stark in die Hand, dass sie die Rose musste fahren lassen, doch hatte sie schon ein wenig eingerissen. Da sah sie, dass Blut aus dem Stängel quoll, liess eine Fee kommen, damit sie die Blume entzauberte. Da erkannte die Königin ihre Tochter wieder und war von Herzen froh und vergnügt. Es wurde aber eine grosse Hochzeit angestellt, eine Menge Gäste gebeten, die kamen in prächtigen Kleidern, tausend Lichter flimmerten im Saal, und es wurde gespielt und getanzt bis zum hellen Tag.

„Bist du auch auf der Hochzeit gewesen?“ – „Jawohl, bin drauf gewesen:

mein Kopfputz war von Butter, da kam ich in die Sonne,
und er ist mir abgeschmolzen;
mein Kleid war von Spinnweb, da kam ich durch Dornen,
die rissen es mir ab;
meine Pantoffel waren von Glas, da trat ich auf einen Stein,
da sprangen sie entzwei.“


 



Von der Serviette, dem Tornister, dem Kanonenhütlein und dem Horn



Es waren drei Brüder aus dem Schwarzenfelsischen, von Haus sehr arm, die reisten nach Spanien, da kamen sie an einen Berg, der ganz von Silber umgeben war. Der älteste Bruder machte sich bezahlt, nahm so viel, als er nur tragen konnte, und ging mit seiner Beute nach Haus. Die andern zwei reisten weiter fort und kamen zu einem Berg, wo nichts als Gold zu sehen war. Nun sprach der eine zu dem andern: „Wie sollen wir es machen?“ Und der zweite nahm sich auch so viel Gold, als er nur tragen konnte, und ging nach Haus; der dritte aber wollte sein Glück noch besser versuchen und ging weiter fort. Nach drei Tagen kam er in einen ungeheuren Wald, da hatte er sich müde gegangen, Hunger und Durst plagten ihn, und er konnte nicht aus dem Wald heraus. Da stieg er auf einen hohen Baum und wollte sehen, ob er Waldes Ende finden möge, er sah aber nichts als Baumspitzen; da wünschte er nur noch einmal seinen Leib zu sättigen und begab sich, von dem Baum herunterzusteigen. Als er herunterkam, erblickte er unter dem Baum einen Tisch mit vielerlei Speise besetzt, da ward er vergnügt, nahte sich dem Tisch und ass sich satt. Und als er fertig gegessen hatte, nahm er die Serviette mit sich und ging weiter, und wenn ihn wieder Hunger und Durst ankam, so deckte er die Serviette auf, und was er wünschte, das stund darauf. Nach einer Tagreise kam er zu einem Köhler, der brannte Kohlen und kochte Kartoffeln. Der Köhler bat ihn zu Gast, er sagte aber: „Ich will nicht bei dir essen, aber ich will dich zu Gast bitten.“ Der Köhler fragte: „Wie ist das möglich, ich sehe ja nicht, dass du etwas bei dir hast.“ – „Das tut nichts, setz dich nur her,“ damit deckte er seine Serviette auf, da stand alles, was zu wünschen war. Der Köhler liess sich’s gut schmecken und hatte grossen Gefallen an der Serviette, und als sie abgegessen hatten, sagte er: „Tausch mit mir, ich gebe dir für die Serviette einen alten Soldatentornister, wenn du mit der Hand darauf klopfst, kommt jedes Mal ein Gefreiter und sechs Mann Soldaten mit Ober- und Untergewehr heraus, die können mir im Wald nichts helfen, aber die Serviette wäre mir lieb.“ Der Tausch ging vor sich, der Köhler behielt die Serviette, der Schwarzenfelser nahm den Tornister mit. Kaum war er aber ein Stück Wegs gegangen, so schlug er darauf, da kamen die Kriegshelden heraus: „Was verlangt mein Herr?“ – „Ihr marschiert hin und holet bei dem Köhler meine Serviette, die ich dort gelassen.“ Also gingen sie zurück und brachten ihm die Serviette wieder. Abends kam er zu einem andern Kohlenbrenner, der lud ihn wiederum zum Abendessen ein und hatte desgleichen Kartoffeln ohne Fett. Der Schwarzenfelser aber deckte seine Serviette auf und bat ihn zu Gast, da war alles nach Wunsch. Als die Mahlzeit vorbei war, hielt auch dieser Köhler um den Tausch an, er gab für die Serviette einen Hut, drehte man den auf dem Kopf herum, so gingen die Kanonen, als stünde eine Batterie auf dem Flecken. Als der Schwarzenfelser ein Stück Wegs fort war, klopfte er wieder auf seinen alten Ranzen, und der Gefreite mit sechs Mann musste ihm die Serviette holen. Nun ging es weiter fort in dem nämlichen Wald, und er kam abends zu dem dritten Köhler, der lud ihn, wie die andern, auf ungeschmälzte Kartoffeln, erhielt aber von ihm ein Traktament und vertauschte ihm die Serviette für ein Hörnchen, wenn man darauf blies, fielen alle Städte und Dorfschaften wie auch alle Festungswerke übern Haufen. Der Köhler behielt aber die Serviette nicht länger als die andern, denn der Gefreite mit sechs Mann kam bald und holte sie ab. Wie nun der Schwarzenfelser alles beisammen hatte, kehrte er um nach Haus und wollt seine beiden Brüder besuchen. Diese waren reich von ihrem vielen Gold und Silber, und wie er nun kam, einen alten zerrissenen Rock anhabend, da wollten sie ihn nicht für ihren Bruder erkennen. Alsbald schlug er auf seinen Tornister und liess 150 Mann aufmarschieren, die mussten seinen Brüdern die Hucke (den Buckel) recht voll schlagen.

Das ganze Dorf kam zu Hülfe, aber sie richteten wenig aus bei der Sache; da ward es dem König gemeldet, der schickte ein militärisch Kommando ab, diese Soldaten gefangen zu nehmen; aber der Schwarzenfelser schlug in einem hin auf seinen Ranzen und liess Infanterie und Kavallerie aufmarschieren, die schlugen das militärische Kommando wieder zurück an seinen Ort. Am andern Tag liess der König noch viel mehr Volk ausmarschieren, um den alten Kerl in Ruh zu setzen. Der aber schlug auf seinen Ranzen so lang, bis eine ganze Armee herausgekommen, dazu drehte er seinen Hut ein paar Mal, da gingen die Kanonen, und der Feind ward geschlagen und in die Flucht gejagt. Da ward Friede geschlossen und er zum Vizekönig gemacht, wie auch die Prinzessin ihm zur Gemahlin gegeben.

Der Prinzessin aber lag es beständig im Sinn, dass sie so einen alten Kerl zum Gemahl nehmen müsse, und wünschte nichts mehr, als dass sie ihn wieder loswerden könnte. Sie forschte täglich, in welchen Vorteilen seine Macht bestehe, er war auch so treu und entdeckte ihr alles. Da schwätzte sie ihm seinen Ranzen ab und verstiess ihn, und als darauf Soldaten gegen ihn marschierten, war sein Volk verloren, aber noch hatte er sein Hütchen, da griff er daran und liess die Kanonen gehen, so schlug er den Feind und ward wieder Friede gemacht. Darnach aber liess er sich wieder betrügen, und die Prinzessin schwätzte ihm sein Hütchen ab. Und als nun der Feind auf ihn eindrang, hatte er nichts als sein Hörnchen, da blies er darauf, alsbald fielen Dörfer, Städte und alle Festungswerke übern Haufen. Da war er König allein und blies, bis er gestorben ist.



In einem kleinen Apfel    © Petra Wilhelmi



Kennt ihr Robert? Diesen kleinen Jungen mit den lockigen dunklen Haaren, die vorn immer in die Höhe strubbeln? Den, mit den dreiviertellangen Jeans, dem Shirt von den "Wilden Kerlen". Nein? Robert wohnt hier am Rande der Stadt, in einem Siedlungshaus. Es ist das Haus mit dem kleinen Garten und der verschwenderischen Fülle von Sommerblumen. Der Duft von Gras schwebt in der Luft, Bienen summen, Käfer krabbeln, Äpfel- und Birnenbäume erfreuen das Auge und zwischen den Blumen drängelt sich Unkraut. Ab und zu durchbricht ein schreckliches Kreischen die Beschaulichkeit. Das ist die Linie 15, die dort vorn um die Kurve quietscht. Jetzt wisst ihr, von wem ich spreche.

Robert sitzt am liebsten unter dem alten Apfelbaum im hohen Gras, beobachtet die Krabbelkäfer oder die flinken Ameisen. Oft vergisst er die ganze Welt um sich herum, wenn er seinen Lieblings-Pokémon zum Sieg führt, für ihn eine wichtige Sache. Jetzt brubbelt und rumort es in ihm, sein Magen knurrt laut und vernehmlich. Mama hat auch schon gerufen. Es ist zwölf Uhr, das Essen steht auf den Tisch, Kartoffelpuffer mit Apfelmus, seine Leib- und Magenspeise. Dann geht's ab in die Falle zum Mittagsschlaf. Mama besteht darauf, obwohl er dazu eigentlich schon viel zu groß ist, wie er meint. Er kuschelt sich in sein Bett.

Draußen brennt die Sonne vom Himmel, die blauen Vorhänge schirmen die vorwitzigen Sonnenstrahlen ab, so dass Roberts Zimmer im Halbdunklen liegt. Die Vorhänge schwingen leicht im Wind, der durch das angekippte Fenster säuselt. Sie malen Muster an die Wände. Robert wird schläfrig, er blinzelt, reibt sich die Augen. Sind sie ihm schon zugefallen?

Robert zwingt sich sie aufzuhalten. Verwundert schaut er sich um. Lag er nicht gerade im Bett? Wo ist er jetzt? Angst steigt in ihm auf. Er fühlt sich winzig klein. Um ihn herum ist alles grün; riesengroße Halme versperren ihm die Sicht, sie umschlingen ihn. Sein Herz bubbert. Er fühlt sich verloren und einsam, er weiß nicht wohin, alles ist verändert, er steht mitten in einem Graswald. Er lauscht nach rechts und links, seine Ohren hören das leiseste Sirren. Trappeln dort nicht viele Beinchen über den Boden, ganz in seiner Nähe? Erschrocken will sich Robert hinter der blauen Glockenblume verstecken, da steht vor ihm etwas Schreckliches: ein riesiges halbkugeliges Etwas, sechs Beine, rot, schwarze Punkte. Schreiend rennt Robert weg, rennt und rennt, als ob es um sein Leben ginge, immer weiter nur vorwärts, egal wohin. Wumms, er prallt an ein anderes Etwas, so groß wie ein Haus, rund, rotbäckig, wie ein Apfel. Aua, Robert reibt seinen Arm. Das wird bestimmt ein blauer Fleck. "Was soll dieser ohrenbetäubende Lärm?" Robert reißt seine Augen erstaunt auf. Aus einem Loch im Apfelhaus schießt eine Raupe heraus, die ihn wütend anblickt. "Du Käfer du, was fällt dir ein, mich zu stören?" Robert bekommt vor Erstarrung kaum ein Wort heraus. Stotternd sagt er: "I-i-ch b-b-in der Robert, kein Käfer" "Der Robert bist du. Na und?" Die Raupe stemmt ihre Arme in die Hüfte, "Was belästigst du mich?" "Ein schreckliches rotes Riesentier kam auf mich zu, ich bin einfach weggerannt und stieß an dein Haus, es stand mir im Weg. Siehst du den blauen Fleck hier, den habe ich dabei bekommen?" "Der interessiert mich nicht die Bohne. Ich will nichts hören, geh' dorthin, wo du herkommst." "Will ich auch, ich weiß nur nicht wie ich zurückfinden soll." "Auch das noch. Geh' gerade aus und schwirre ab. Lass mich in Ruhe. Ich will meinen Mittagsschlaf halten."

Da quietscht und kreischt es ohrenbetäubend. Robert schreckt hoch, steht kerzengerade im Bett und blickt verwundert ringsherum. Er steht in seinem Bett, in seinem Zimmer. War er nicht eben im Graswald? Hat er nicht gerade eine kratzbürstige Apfelraupe getroffen? Seltsam. Verwundert schüttelt er den Kopf, einen blauen Fleck hat er auch nicht.

Robert, Rooobert!" Seine Mama ruft: "Robert, komm doch mal her." Er springt mit einem gewaltigen Satz aus dem Bett. "Mama, Mama." Er saust in die Küche. Seine Mutter steht da, poliert gerade duftende Äpfel blank. Einen der Äpfel hält sie ihm hin. "Hier Robert, der ist für dich." Freudestrahlend nimmt er den rotbäckigen, glänzenden Apfel in seine Hände. Plötzlich hält er ängstlich inne. Was wenn …, er stockt, wenn das nun das Apfelhaus ist? Vielleicht ist diese griesgrämige Raupe dort drinnen und beschimpft ihn wieder? Langsam und vorsichtig schaut er sich den Apfel an, dreht ihn nach rechts und links, ganz heimlich, dass es seine Mama nicht sehen kann. Er schnauft, wow, kein Loch zu sehen. Robert jauchzt freudig auf, ist glücklich, beißt unbesorgt und herzhaft in den Apfel und flitzt in den Garten. Wenn ihr dort vorbei geht, könnt ihr ihn bestimmt wieder unter dem Apfelbaum im Gras sitzen sehen. Dann sagt einfach mal: "Hallo, Robert!"




Das Rätsel
Es war einmal ein Königssohn, der bekam Lust, in der Welt umherzuziehen, und nahm niemand mit als einen treuen Diener. Eines Tags geriet er in einen grossen Wald, und als der Abend kam, konnte er keine Herberge finden und wusste nicht, wo er die Nacht zubringen sollte. Da sah er ein Mädchen, das nach einem kleinen Häuschen zuging, und als er näher kam, sah er, dass das Mädchen jung und schön war. Er redete es an und sprach „liebes Kind, kann ich und mein Diener in dem Häuschen für die Nacht ein Unterkommen finden?“ – „Ach ja,“ sagte das Mädchen mit trauriger Stimme, „das könnt ihr wohl, aber ich rate euch nicht dazu; geht nicht hinein.“ – „Warum soll ich nicht?“ fragte der Königssohn. Das Mädchen seufzte und sprach „meine Stiefmutter treibt böse Künste, sie meints nicht gut mit den Fremden.“

Da merkte er wohl, dass er zu dem Hause einer Hexe gekommen war, doch weil es finster ward und er nicht weiter konnte, sich auch nicht fürchtete, so trat er ein. Die Alte sass auf einem Lehnstuhl beim Feuer und sah mit ihren roten Augen die Fremden an. „Guten Abend,“ schnarrte sie und tat ganz freundlich, „lasst euch nieder und ruht euch aus.“ Sie blies die Kohlen an, bei welchen sie in einem kleinen Topf etwas kochte. Die Tochter warnte die beiden, vorsichtig zu sein, nichts zu essen und nichts zu trinken, denn die Alte braue böse Getränke.

Sie schliefen ruhig bis zum frühen Morgen. Als sie sich zur Abreise fertig machten und der Königssohn schon zu Pferde sass, sprach die Alte „warte einen Augenblick, ich will euch erst einen Abschiedstrank reichen.“ Während sie ihn holte, ritt der Königssohn fort, und der Diener, der seinen Sattel festschnallen musste, war allein noch zugegen, als die böse Hexe mit dem Trank kam. „Das bring deinem Herrn,“ sagte sie, aber in dem Augenblick sprang das Glas, und das Gift spritzte auf das Pferd, und war so heftig, dass das Tier gleich tot hinst ürzte. Der Diener lief seinem Herrn nach und erzählte ihm, was geschehen war, wollte aber den Sattel nicht im Stich lassen und lief zurück, um ihn zu holen. Wie er aber zu dem toten Pferde kam, sass schon ein Rabe darauf und frass davon. „Wer weiss, ob wir heute noch etwas Besseres finden,“ sagte der Diener, tötete den Raben und nahm ihn mit.

Nun zogen sie in dem Walde den ganzen Tag weiter, konnten aber nicht herauskommen. Bei Anbruch der Nacht fanden sie ein Wirtshaus und gingen hinein. Der Diener gab dem Wirt den Raben, den er zum Abendessen bereiten sollte. Sie waren aber in eine Mördergrube geraten, und in der Dunkelheit kamen zwölf Mörder und wollten die Fremden umbringen und berauben. Ehe sie sich aber ans Werk machten, setzten sie sich zu Tisch, und der Wirt und die Hexe setzten sich zu ihnen, und sie assen zusammen eine Schüssel mit Suppe, in die das Fleisch des Raben gehackt war.

Kaum aber hatten sie ein paar Bissen hinuntergeschluckt, so fielen sie alle tot nieder, denn dem Raben hatte sich das Gift von dem Pferdefleisch mitgeteilt. Es war nun niemand mehr im Hause übrig als die Tochter des Wirts, die es redlich meinte und an den gottlosen Dingen keinen Teil genommen hatte. Sie öffnete dem Fremden alle Türen und zeigte ihm die angehäuften Schätze. Der Königssohn aber sagte, sie möchte alles behalten, er wollte nichts davon, und ritt mit seinem Diener weiter.

Nachdem sie lange herumgezogen waren, kamen sie in eine Stadt, worin eine schöne, aber übermütige Königstochter war, die hatte bekanntmachen lassen, wer ihr ein Rätsel vorlegte, das sie nicht erraten könnte, der sollte ihr Gemahl werden: erriete sie es aber, so müsste er sich das Haupt abschlagen lassen. Drei Tage hatte sie Zeit, sich zu besinnen, sie war aber so klug, dass sie immer die vorgelegten Rätsel vor der bestimmten Zeit erriet. Schon waren neune auf diese Weise umgekommen, als der Königssohn anlangte und, von ihrer grossen Schönheit geblendet, sein Leben daransetzen wollte.

Da trat er vor sie hin und gab ihr sein Rätsel auf, „was ist das,“ sagte er, „einer schlug keinen und schlug doch zwölfe.“ Sie wusste nicht, was das war, sie sann und sann, aber sie brachte es nicht heraus: sie schlug ihre Rätselbücher auf, aber es stand nicht darin: kurz, ihre Weisheit war zu Ende. Da sie sich nicht zu helfen wusste, befahl sie ihrer Magd, in das Schlafgemach des Herrn zu schleichen, da sollte sie seine Träume behorchen, und dachte, er rede vielleicht im Schlaf und verrate das Rätsel. Aber der kluge Diener hatte sich statt des Herrn ins Bett gelegt, und als die Magd herankam, riss er ihr den Mantel ab, in den sie sich verhüllt hatte, und jagte sie mit Ruten hinaus.

In der zweiten Nacht schickte die Königstochter ihre Kammerjungfer, die sollte sehen, ob es ihr mit Horchen besser glückte, aber der Diener nahm auch ihr den Mantel weg und jagte sie mit Ruten hinaus. Nun glaubte der Herr für die dritte Nacht sicher zu sein und legte sich in sein Bett, da kam die Königstochter selbst, hatte einen nebelgrauen Mantel umgetan und setzte sich neben ihn. Und als sie dachte, er schliefe und träumte, so redete sie ihn an und hoffte, er werde im Traume antworten, wie viele tun.

Aber er war wach und verstand und hörte alles sehr wohl. Da fragte sie „einer schlug keinen, was ist das?“ Er antwortete „ein Rabe, der von einem toten und vergifteten Pferde frass und davon starb.“ Weiter fragte sie „und schlug doch zwölfe, was ist das?“ – „Das sind zwölf Mörder, die den Raben verzehrten und daran starben.“

Als sie das Rätsel wusste, wollte sie sich fortschleichen, aber er hielt ihren Mantel fest, dass sie ihn zurücklassen musste. Am andern Morgen verkündigte die Königstochter, sie habe das Rätsel erraten, und liess die zwölf Richter kommen und löste es vor ihnen. Aber der Jüngling bat sich Gehör aus und sagte „sie ist in der Nacht zu mir geschlichen und hat mich ausgefragt, denn sonst hätte sie es nicht erraten.“ Die Richter sprachen „bringt uns ein Wahrzeichen.“ Da wurden die drei Mäntel von dem Diener herbeigebracht, und als die Richter den nebelgrauen erblickten, den die Königstochter zu tragen pflegte, so sagten sie „lasst den Mantel sticken mit Gold und Silber, so wirds Euer Hochzeitsmantel sein.









Die Bremer Stadtmusikanten


Es hatte ein Mann einen Esel, der schon lange Jahre die Säcke unverdrossen zur Mühle getragen hatte, dessen Kräfte aber nun zu Ende gingen, so dass er zur Arbeit immer untauglicher ward. Da dachte der Herr daran, ihn aus dem Futter zu schaffen, aber der Esel merkte, dass kein guter Wind wehte, lief fort und machte sich auf den Weg nach Bremen; dort, meinte er, könnte er ja Stadtmusikant werden. Als er ein Weilchen fortgegangen war, fand er einen Jagdhund auf dem Wege liegen, der jappte wie einer, der sich müde gelaufen hat. „Nun, was jappst du so, Packan?“ fragte der Esel. „Ach,“ sagte der Hund, „weil ich alt bin und jeden Tag schwächer werde, auch auf der Jagd nicht mehr fort kann, hat mich mein Herr wollen totschlagen, da hab ich Reissaus genommen; aber womit soll ich nun mein Brot verdienen?“ – „Weisst du was?“ sprach der Esel, „ich gehe nach Bremen und werde dort Stadtmusikant, geh mit und lass dich auch bei der Musik annehmen. Ich spiele die Laute und du schlägst die Pauken.“ Der Hund war’s zufrieden, und sie gingen weiter. Es dauerte nicht lange, so sass da eine Katze an dem Weg und macht ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. „Nun, was ist dir in die Quere gekommen, alter Bartputzer?“ sprach der Esel. „Wer kann da lustig sein, wenn’s einem an den Kragen geht,“ antwortete die Katze, „weil ich nun zu Jahren komme, meine Zähne stumpf werden, und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne, als nach Mäusen herumjagen, hat mich meine Frau ersäufen wollen; ich habe mich zwar noch fortgemacht, aber nun ist guter Rat teuer: wo soll ich hin?“ – „Geh mit uns nach Bremen, du verstehst dich doch auf die Nachtmusik, da kannst du ein Stadtmusikant werden.“ Die Katze hielt das für gut und ging mit. Darauf kamen die drei Landesflüchtigen an einem Hof vorbei, da sass auf dem Tor der Haushahn und schrie aus Leibeskräften. „Du schreist einem durch Mark und Bein,“ sprach der Esel, „was hast du vor?“ – „Da hab‘ ich gut Wetter prophezeit,“ sprach der Hahn, „weil unserer lieben Frauen Tag ist, wo sie dem Christkindlein die Hemdchen gewaschen hat und sie trocknen will; aber weil morgen zum Sonntag Gäste kommen, so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen und hat der Köchin gesagt, sie wollte mich morgen in der Suppe essen, und da soll ich mir heut abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schrei ich aus vollem Hals, solang ich kann.“ – „Ei was, du Rotkopf,“ sagte der Esel, „zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musizieren, so muss es eine Art haben.“ Der Hahn liess sich den Vorschlag gefallen, und sie gingen alle vier zusammen fort.

Sie konnten aber die Stadt Bremen in einem Tag nicht erreichen und kamen abends in einen Wald, wo sie übernachten wollten. Der Esel und der Hund legten sich unter einen grossen Baum, die Katze und der Hahn machten sich in die Äste, der Hahn aber flog bis an die Spitze, wo es am sichersten für ihn war. Ehe er einschlief, sah er sich noch einmal nach allen vier Winden um, da deuchte ihn, er sähe in der Ferne ein Fünkchen brennen, und rief seinen Gesellen zu, es müsste nicht gar weit ein Haus sein, denn es scheine ein Licht. Sprach der Esel: „So müssen wir uns aufmachen und noch hingehen, denn hier ist die Herberge schlecht.“ Der Hund meinte: „Ein paar Knochen und etwas Fleisch dran täten ihm auch gut.“ Also machten sie sich auf den Weg nach der Gegend, wo das Licht war, und sahen es bald heller schimmern, und es ward immer grösser, bis sie vor ein helles, erleuchtetes Räuberhaus kamen. Der Esel, als der grösste, näherte sich dem Fenster und schaute hinein. „Was siehst du, Grauschimmel?“ fragte der Hahn. „Was ich sehe?“ antwortete der Esel, „einen gedeckten Tisch mit schönem Essen und Trinken, und Räuber sitzen daran und lassen’s sich wohl sein.“ – „Das wäre was für uns,“ sprach der Hahn. „Ja, ja, ach, wären wir da!“ sagte der Esel. Da ratschlagten die Tiere, wie sie es anfangen müssten, um die Räuber hinauszujagen und fanden endlich ein Mittel. Der Esel musste sich mit den Vorderfüssen auf das Fenster stellen, der Hund auf des Esels Rücken springen, die Katze auf den Hund klettern, und endlich flog der Hahn hinauf, und setzte sich der Katze auf den Kopf. Wie das geschehen war, fingen sie auf ein Zeichen insgesamt an, ihre Musik zu machen: der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute und der Hahn krähte. Dann stürzten sie durch das Fenster in die Stube hinein, dass die Scheiben klirrten. Die Räuber fuhren bei dem entsetzlichen Geschrei in die Höhe, meinten nicht anders, als ein Gespenst käme herein, und flohen in grösster Furcht in den Wald hinaus. Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch, nahmen mit dem vorlieb, was übriggeblieben war, und assen nach Herzenslust.

Wie die vier Spielleute fertig waren, löschten sie das Licht aus und suchten sich eine Schlafstelle, jeder nach seiner Natur und Bequemlichkeit. Der Esel legte sich auf den Mist, der Hund hinter die Tür, die Katze auf den Herd bei der warmen Asche, der Hahn setzte sich auf den Hahnenbalken, und weil sie müde waren von ihrem langen Weg, schliefen sie auch bald ein. Als Mitternacht vorbei war und die Räuber von weitem sahen, dass kein Licht mehr im Haus brannte, auch alles ruhig schien, sprach der Hauptmann: „Wir hätten uns doch nicht sollen ins Bockshorn jagen lassen,“ und hiess einen hingehen und das Haus untersuchen. Der Abgeschickte fand alles still, ging in die Küche, ein Licht anzünden, und weil er die glühenden, feurigen Augen der Katze für lebendige Kohlen ansah, hielt er ein Schwefelhölzchen daran, dass es Feuer fangen sollte. Aber die Katze verstand keinen Spass, sprang ihm ins Gesicht, spie und kratzte. Da erschrak er gewaltig, lief und wollte zur Hintertüre hinaus, aber der Hund, der da lag, sprang auf und biss ihn ins Bein, und als er über den Hof an dem Miste vorbeikam, gab ihm der Esel noch einen tüchtigen Schlag mit dem Hinterfuss; der Hahn aber, der vom Lärmen aus dem Schlaf geweckt und munter geworden war, rief vom Balken herab: „Kikeriki!“ Da lief der Räuber, was er konnte, zu seinem Hauptmann zurück und sprach: „Ach, in dem Haus sitzt eine greuliche Hexe, die hat mich angehaucht und mit ihren langen Fingern mir das Gesicht zerkratzt. Und vor der Tür steht ein Mann mit einem Messer, der hat mich ins Bein gestochen. Und auf dem Hof liegt ein schwarzes Ungetüm, das hat mit einer Holzkeule auf mich losgeschlagen. Und oben auf dem Dache, da sitzt der Richter, der rief: ‚Bringt mir den Schelm her!‘ Da machte ich, dass ich fortkam.“ Von nun an getrauten sich die Räuber nicht weiter in das Haus, den vier Bremer Musikanten gefiel’s aber so wohl darin, dass sie nicht wieder heraus wollten.






Max Minibagger muss ins Land Wüstensand - Folge 4

© Katharina Britzen

Schon sehr, sehr lange lebte Max Minibagger bei seinen Freunden, den Maulwürfen im Land Krümelboden. Er half ihnen, wo er konnte. In der ganzen Welt waren seine schönen Löcher berühmt. Viele Maulwürfe aus anderen Teilen der Welt wurden neidisch, wenn sie mal im Land Krümelboden auf Besuch waren und die großen, tiefen Wohnungen der Maulwürfe im Land Krümelboden sahen. Dann wünschten sie sich auch einen kleinen Minibagger zum Freund.

Max Minibagger beschützte seine Freunde vor ihren Feinden, ganz besonders vor dem Habicht Greifkralle, der immer noch versuchte, eins von den Maulwurfkindern zu fangen und dann mit in sein Nest zu nehmen. Als Spielkamerad für seine Habichtkinder. Aber es gelang ihm einfach nicht, Max Minibagger passte zu gut auf.

Aus dem Maulwurfskind Vorwitz war mittlerweile ein großer Maulwurf geworden und hieß jetzt Maulwurf Weiß-so-viel, der der beste Freund des kleinen Minibaggers war. Nie hatte er vergessen, wie Max Minibagger ihn gerettet hatte. Wenn Max Minibagger nicht arbeiten musste, besuchte ihn sein Freund, der Maulwurf Vorwitz und sie erzählten sich lustige Geschichten, oft die ganze Nacht lang. Es kam schon mal vor, dass Max Minibagger dabei einschlief, denn er baggerte oft den ganzen Tag lang und war abends meistens müde. Die Maulwürfe schliefen ja fast den ganzen Tag und wurden abends, wenn es dunkel war, erst munter.

Eines Abends kam der Maulwurf Sieht-nicht-gut, der bereits sehr alt war, zu Max Minibagger und wollte ihn unter vier Augen sprechen. Nur der kleine Minibagger und er. Von den anderen Maulwürfen durfte niemand dabei sein. Max Minibagger war ganz komisch, denn sonst erzählten sie sich gegenseitig alles und hatten nie Geheimnisse voreinander. Der Maulwurf Sieht-nicht-gut tat so furchtbar geheimnisvoll.

"Was ist los, Maulwurf Sieht-nicht-gut? Was gibt es, das die anderen nicht hören dürfen?"

Der Maulwurf Sieht-nicht-gut legte eine Pfote über seinen Mund, um Max Minibagger anzudeuten, nicht zu laut zu sprechen. Dann flüsterte er ins Ohr des kleinen Baggers hinein:

"Lieber Freund Max Minibagger. Es ist ein großes Unglück geschehen. Unsere Verwandten im Land Wüstensand, denen wir manchmal bei unseren Wanderungen unter der Erde begegnen, berichten Schlimmes. Im Land Wüstensand hat es schon seit vielen Jahren nicht mehr geregnet. Viele, viele Jahre schon nicht mehr. Die Tiere dort suchen verzweifelt Wasser, aber das Wasser ist nur noch ganz tief unter der Erde. Löwen, Giraffen, Tiger, Erdmännchen und viele andere Tiere verdursten, weil sie kein Wasser mehr finden. Es müsste ihnen jemand tiefe Löcher graben, damit sie wieder trinken könnten". Der Maulwurf Sieht-nicht-gut hielt einen Moment inne, um tief Luft zu holen und wisperte weiter:

"Mein Neffe, der Maulwurf Schnuppergut machte den Vorschlag, dich zu fragen, ob du vielleicht den Tieren im Land Wüstensand helfen könntest. Sonst müssen dort alle Tiere verdursten und das wäre doch schrecklich, oder?

Max Minibagger hörte erschrocken zu. Seine liebsten Freunde, die Tiere müssen verdursten. Wie furchtbar. Aber dann müsste er ja fort von seinen Freunden, den Maulwürfen im Land Krümelboden. Von seinem Freund Maulwurf Vorwitz, vom Maulwurf Schnuppergut, von der Frau Maulwürfin Hört-nicht-gut und den vielen anderen Maulwürfen, die er liebte und mit denen er so gerne zusammen war. Die seine richtige Familie waren. Um sein Minibaggerherz herum war ihm ganz sonderbar, so wehmütig. Mit zittriger Stimme sprach Max Minibagger:

"Es gefällt mir so gut bei euch, aber wenn es mir auch schwer fällt, will ich den Tieren im Land Wüstensand helfen. Wenn es anderen schlecht geht, muss man helfen. Ist doch klar wie Klarsichtfolie. Gleich morgen reise ich ins Land Wüstensand, auch wenn ich mich vor der langen Reise fürchte".

Maulwurf Sieht-nicht-gut war einesteils erleichtert, aber auch traurig, als er fortfuhr: "Lieber Max Minibagger, noch heute Nacht schicken wir eine Nachricht ins Land Wüstensand, dass du morgen dort eintriffst".

Der Maulwurf Sieht-nicht-gut rief alle Maulwürfe aus dem Land Krümelboden zusammen und erklärte ihnen, dass der kleine Minibagger für einige Zeit ins Land Wüstensand müsste, um dort den Tieren beim Wassersuchen zu helfen. Da waren alle traurig darüber und einige weinten sogar, auch Max Minibagger liefen die Tränen an der Grabeschaufel runter und seine Grabeschaufel ging aufgeregt auf und nieder, wie schon lange nicht mehr.

"Ich komme wieder zu euch, versprochen. Es dauert nicht lange, dann habe ich viele Wasserlöcher im Land Wüstensand gebaggert und komme dann zu euch zurück. Ihr müsst mir versprechen, euch vor dem Habicht Greifkralle in acht zu nehmen", wandte er sich besonders an Frechdachs, Schleckermaul, Schreihals, Angsthase, Klugscheißer, die kleinen Maulwurfkinder, die manchmal zu leichtsinnig waren und sich nachts zu weit von ihren Wohnungen entfernten. Die Kleinen versprachen ihm vorsichtig zu sein und legten wie zum Schwur ihre Pfoten in die Grabeschaufel, was ihn einigermaßen beruhigte.

Im Land Krümelboden traf man die nötigen Vorkehrungen zur Abreise von Max Minibagger. Aus dem nahen Wald beschafften die Maulwürfe viele Leckerbissen für die lange Reise ins Land Wüstensand. Die Grabeschaufel war voll mit Pilzen, leckeren Steinen, den dicksten Tannenzapfen und der krümeligen Walderde, die dem kleinen Minibagger so gut schmeckte, damit er unterwegs nicht hungern musste. Zum Abschied sang der Maulwurf "Singt so gut", der eine besonders schöne Stimme hatte, dem kleinen Minibagger zu Ehren dessen Lieblingslieder wie den Minibagger-Walzer und den Grabeschaufel-Boogie-Woogie.

Spät in der Nacht drückte Max Minibagger den Knopf, mit dem er fliegen konnte und schwebte durch die Nacht ins Land Wüstensand. Seine kleinen Freunde schauten ihm solange nach, winkten mit ihren kleinen Pfoten, bis sie nichts mehr von ihm sahen, nicht den kleinsten Punkt am Himmel. Nur die Sterne leuchteten, als wollten sie Max Minibagger den Weg ins Land Wüstensand zeigen. Stumm und ohne ein Wort gingen sie in ihre Häuser. In der Nacht weinten viele der Maulwürfe, weil ihr Freund, Max Minibagger, ins Land Wüstensand unterwegs war. Wann würden sie ihn wiedersehen?
























































































































































Yorumlar

Bu blogdaki popüler yayınlar

ALMANCA OKUMA KURALLARI- LESEREGELN IM DEUTSCHEN

05.02.2018- Montag Der erste Unterricht ALMANCA OKUMA KURALLARI- LESEREGELN IM DEUTSCHEN Almanca genel olarak yazıldığı gibi okunur, fakat Almancanın kendine özgü bazı okunuş biçimleri söz konusudur. Bunlar şöyledir: 1- Ä- ä : Üzerinde inceltme işareti (Umlaut) bulunan /a/ ünlüsü, [ e ] olarak okunur.        Yazılış - Okunuş         G ä ste    (g e ste) 2- aa : Uzun /a/ ( a: ) olarak okunur: W aa ge (v a: ge) Notiz 1: Ünlülerden sonra gelen (:) ünlünün uzun okunduğunu göstermektedir: (a:, e:, ı:, i:, o:, ö:, u:, ü: ) 3- ai : ( ay ) okunur: M ai (m ay ) Notiz 2: Almancada bulunar ai, äu, ei, ie, eu gibi çift ünlüler Diphtong olarak adlandırılır ve bunlar devamlı bir arada kullanılır. 4- äu: ( oy ) okunur : M äu se (m oy ze) - Fr äu lain (fr oy layn) 5- c : Yabancı sözcüklerde: Notiz 3: kuşkusuz burada, diğerlerinde de olduğu gibi, adı geçen harfin bütün okunuş biçimlerini veremiyoruz. Almancaya yabancı dillerden alınan sözcüklerin okunuş biçi

9. SINIFLAR

9. SINIFLAR ÇALIŞMA KİTABI 3. VE 4. ÜNİTENİN SORU VE CEVAPLARI  29.04.2018 Quelle: Baron Münchhausens Tagebücher- Deutsch mit Spring Verlag – 2015 - İstanbul 25.02.2018-Sonntag Vorbereitungtext zur Praxisklassenarbeit für  neunte Klassen Baron von Münchhausen Ich bin der Baron von Münchhausen. Mein Leben ist voll mit spannenden und interessanten Geschichten. Ich bin ein sehr guter Geschichtenerzähler! Ich lese euch heute aber auch etwas aus meinen alten  Tagebüchern  vor. Kommt, setzt euch, hört mir zu und  staunt ! Wie bitte? Ich  lüge .  Nein , ich lüge nie, ich habe nur viel Phantasie! Baron von Münchhausen Münchausen Baronuyum. Hayatım heyacanlı ve ilginç hikayelerle doludur. Çok iyi hikaye anlatıcısıyım. Bugün size eski güncelerimden de birşeyler anlatacağım. Gelin, oturun, beni  dinleyin ve şaşırım! Efendim?(Anlayamadım?) Ben yalan mı söylüyorum. Hayır, ben asla yalan söylemem, sadece çok fanta